Das Hotel New Hampshire
Lektion im Ruinieren der Hotels von Atlantic City. Sie wischten täglich die Parkettböden naß auf und marschierten über die Strandpromenade hinunter zu einer Sanddüne, wo die Schießübungen abgehalten wurden. Die Bars an der Promenade machten ein Bombengeschäft mit den Rekruten - außer meinem Vater. Niemand fragte nach dem Alter; die Rekruten, die größtenteils jünger waren als mein Vater, trugen alle ihr Schützenabzeichen und tranken unbehelligt. Die Bars waren voller Mädchen aus den Büros in Washington, und jedermann rauchte filterlose Zigaretten - außer meinem Vater.
Vater sagte, jeder hätte von der Idee geschwärmt, sich vor der Verschiffung nach Übersee »noch einmal auszutoben«, aber längst nicht alle setzten ihre Pläne in die Tat um; Vater allerdings tat es - mit meiner Mutter, in einem Hotel in New Jersey. Zum Glück schwängerte er sie diesmal nicht, so daß Mutter es noch eine Weile bei Frank, Franny und mir beließ.
Von Atlantic City kam mein Vater zur kryptographischen Ausbildung auf eine frühere Privatschule im Norden von New York. Danach schickten sie ihn zum Militärflugplatz Chanute Field - bei Kearns in Utah gelegen - und dann nach Savannah in Georgia, wo er früher einmal mit Earl im alten Hotel DeSoto aufgetreten war. Die nächste Station war dann Hampton Road, wo die Einschiffung erfolgte, und mein Vater war unterwegs zum »Krieg in Europa«, und er hatte die vage Vorstellung, daß er dort vielleicht Freud treffen würde. Vater vertraute darauf, seine heile Rückkehr dadurch gesichert zu haben, daß er drei Kinder bei meiner Mutter zurückließ.
Er wurde einer Einheit der Air Force zugewiesen, die auf einem Bomberstützpunkt in Italien Dienst tat, und die größte Gefahr dort war, daß man betrunken jemanden erschoß, daß man erschossen wurde von einem Betrunkenen oder daß man betrunken in die Latrine stürzte - was einem Oberst, den mein Vater kannte, tatsächlich passierte; bevor der Oberst aus seiner Lage befreit wurde, hatten ihm mehrere Leute auf den Kopf geschissen. Die einzige andere Gefahr bestand darin, daß man sich bei einer italienischen Hure eine Geschlechtskrankheit holte. Und da mein Vater weder soff noch hurte, kam er unbeschadet durch den Zweiten Weltkrieg.
Er verließ Italien mit einem Truppentransporter der Navy und fuhr über Trinidad nach Brasilien - »eine Art Italien auf Portugiesisch«, wie er meiner Mutter schrieb. In die Staaten zurück flog er schließlich mit einem Piloten, der an einer Bombenneurose litt und die C-47 im Tiefflug über die breiteste Straße von Miami jagte. Aus der Luft erkannte mein Vater einen Parkplatz wieder, auf dem Earl einmal nach einem Auftritt gekotzt hatte.
Auch meine Mutter leistete im Krieg ihren Beitrag - obwohl sie weiterhin für ihre Alma Mater, das Thompson Female Seminary, Schreibarbeiten erledigte: sie half mit bei der Ausbildung von Krankenhauspersonal. Das Krankenhaus in Dairy bildete Schwesternhelferinnen aus, und im zweiten Kurs war meine Mutter dabei. Sie hatte eine fixe Achtstundenschicht in der Woche und stand sonst auf Abruf bereit - und bei dem großen Mangel an Krankenschwestern mußte sie oft genug einspringen. Am liebsten arbeitete sie auf der Entbindungsstation und im Kreißsaal; sie wußte, wie einem zumute war, wenn man in diesem Krankenhaus ein Kind zur Welt brachte, während der Mann weit weg war. So also verbrachte meine Mutter den Krieg.
Gleich nach Kriegsende ging Vater mit Coach Bob zu einem Profi-Footballspiel im Bostoner Stadion ›Fenway Park‹. Als sie dem Nordbahnhof zustrebten, um mit dem Zug nach Dairy zurückzufahren, trafen sie einen von Vaters Studienkollegen, der ihnen für 600 Dollar einen 1940er Chevy - ein Coupe - verkaufte; das war zwar etwas mehr, als der Wagen neu gekostet hatte, aber er war in ordentlichem Zustand, und Benzin war lächerlich billig; man zahlte vielleicht fünf Cents für den Liter. Coach Bob und mein Vater teilten sich die Kosten für die Versicherung, und damit hatte nun unsere Familie endlich einen Wagen. Während Vater an der Harvard University fertig studierte, hatte Mutter nun die Möglichkeit, Frank, Franny und mich zu den Stränden von New Hampshire mitzunehmen, und Iowa-Bob fuhr einmal mit uns in die White Mountains, wo Frank übel zerstochen wurde, als Franny ihn in ein Wespennest schubste.
Das Leben der Harvard-Studenten hatte sich geändert; die Zimmer waren überbelegt; die Footballer hatten eine neue Mannschaft. Die Slawistik-Studenten
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