Das Hotel New Hampshire
war.
»Sie sollten es abbrennen«, schlug Mutter vor, »und aus dem ganzen Gelände einen Park machen.«
Es war ohnehin schon eine Art Park - ein Stück Land auf einer kleinen Anhöhe, vielleicht einen knappen Hektar groß, im verwahrlosten Herzen der Stadt Dairy. Alte geschindelte Häuser, ursprünglich für große Familien und jetzt stückweise an Witwen und Witwer - und die pensionierten Lehrer der Dairy School - vermietet, umgeben von sterbenden Ulmen, die das vierstöckige Backstein-Ungetüm von einem Schulhaus einrahmten, das nach Ethel Thompson benannt war. Miss Thompson hatte in der Episkopalkirche als Pfarrer fungiert, und es war ihr gelungen, sich bis zu ihrem Tod als Mann auszugeben (Hochwürden Edward Thompson nannte man sie, ehrwürdiges Oberhaupt der Episkopalgemeinde in Dairy und allgemein dafür bekannt, daß sie immer wieder flüchtige Sklaven im Pfarrhaus versteckte). Die Entdeckung, daß sie eine Frau war (im Anschluß an einen Unfall, bei dem sie überfahren wurde, als sie gerade ein Rad an ihrer Kutsche wechselte), kam nicht für alle Mannsleute in Dairy überraschend, denn zum Teil waren sie mit ihren Problemen zu ihr gegangen, als sie auf dem Gipfel ihrer Beliebtheit als Pfarrherr stand. Irgendwie hatte sie eine Menge Geld angesammelt, von dem sie der Kirche keinen Pfennig hinterließ; vielmehr sollte damit eine höhere Schule für Mädchen gegründet werden, »bis«, schrieb Ethel Thompson, »dieser Greuel von einer Knabenschule gezwungen ist, Mädchen aufzunehmen.«
Dem Urteil, daß die Dairy School ein Greuel sei, hätte auch mein Vater beigepflichtet. Obwohl wir Kinder mit Vorliebe auf dem Sportgelände der Schule spielten, erklärte uns Vater immer und immer wieder, daß Dairy keine »richtige« Schule sei. Da sowieso die ganze Stadt Dairy einst Milchwirtschaftsgebiet gewesen war, war auch das Sportgelände der Schule eine Kuhweide; und als zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die Schule gegründet worden war, hatte man die alten Ställe neben den neueren Schulbauten stehenlassen, und die Kühe durften sich - wie die Schüler - frei auf dem Schulgelände bewegen. Moderne Landschaftsgärtnerei hatte zwar die Wiesen zu Sportplätzen gemacht, aber die Ställe und die ersten damals für die Schule errichteten Bauten bildeten immer noch den ungepflegten Mittelpunkt des Schulgeländes; ein paar Pro-forma-Kühe bevölkerten nach wie vor die Ställe. Es hatte, wie Coach Bob es nannte, zur »Spieltaktik« der Schule gehört, die Schüler zur Versorgung des Milchviehs anzuhalten - eine Taktik, die eine lasche Schulbildung und schlecht versorgte Kühe zur Folge hatte, eine Taktik, die noch vor dem Ersten Weltkrieg aufgegeben wurde. Es gab freilich im Lehrkörper der Dairy School immer noch Leute - und oft waren es die neueren, jüngeren Lehrer -, die der Ansicht waren, diese Mischung aus Schule und Bauernhof sollte wieder eingeführt werden.
Mein Vater widersetzte sich dem Plan, an der Dairy School ein, wie er es nannte, »pädagogisches Kuhstallexperiment« wieder einzuführen.
»Wenn meine Kinder alt genug sind, um auf diese erbärmliche Schule zu gehen«, tobte er vor meiner Mutter und vor Coach Bob, »gibt es bestimmt Leistungskurse im Gemüsepflanzen.«
»Und es gibt Schulwettkämpfe im Scheißeschippen!« sagte Iowa-Bob.
Mit anderen Worten: die Schule war auf der Suche nach Grundsätzen. Sie gehörte nun unbestritten zu den zweitklassigen unter den herkömmlichen Privatschulen; der Lehrplan hatte zwar die Vermittlung akademischen Wissens zum Ziel, aber immer weniger Lehrer an der Schule waren fähig, dieses Wissen zu vermitteln, und - ganz bequem - auch immer weniger überzeugt, daß dieses Wissen überhaupt gefragt war: schließlich ließ ja auch das Aufnahmevermögen der Schüler immer mehr nach. Die Zahl der Neuaufnahmen sank immer mehr, also wurden die Mindestanforderungen noch weiter gesenkt; die Dairy School gehörte nun zu den Schulen, in die jeder fast sofort aufgenommen wurde, der an einer anderen Schule rausgeflogen war. Einzelne Mitglieder des Lehrkörpers, wie beispielsweise mein Vater, die es immer noch für wesentlich hielten, daß die Leute lesen und schreiben - und sogar die Regeln der Zeichensetzung - lernten, stellten resigniert fest, daß ihre Bemühungen bei den meisten ihrer Schüler vergeblich waren. »Perlen vor die Säue«, schimpfte Vater. »Wir könnten ihnen ebensogut beibringen, wie man Heu zusammenrecht und Kühe melkt.«
»Football können sie auch nicht
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