Das Hotel New Hampshire
geblendet, daß sein Fuß vom Gas oder von der Kupplung glitt. Tatsächlich war der Umstand, daß das Hotel New Hampshire in dem Augenblick im hellsten Licht erstrahlte, als er seinen Wagen startete, für den alten Howard Tuck zuviel gewesen. Sein Leben im Elliot Park war nicht so strahlend gewesen - nur gelegentliche Entdeckungen sexueller Natur, unerfahrene Teenager im Lichtkegel seiner Scheinwerfer und der eine oder andere Vandale, der damit beschäftigt war, dem Thompson Female Seminary unerhebliche Schäden zuzufügen. Einmal hatten die Schüler der Dairy School eine der Pro-forma-Kühe der Schule gestohlen und sie auf dem Hockeyplatz an ein Tor gebunden.
Was Howard Tuck sah, als er seinen Wagen startete, war ein viergeschossiger Lichtschock gewesen - ein Anblick, wie ihn das Hotel New Hampshire exakt in der Sekunde bieten mochte, in der es von einer Bombe getroffen wurde. Max Uricks Radio setzte ein mit schmetternder Musik und erschreckte Max so sehr, daß er einen gellenden Schrei ausstieß; ein Summer meldete sich an einem Herd in Mrs. Uricks unterirdischer Küche; Lilly schrie laut auf im Schlaf; Frank erwachte in dem dunklen Spiegel plötzlich zum Leben; Egg schloß aus Angst vor der summenden, durchs ganze Hotel pulsierenden Elektrizität die Augen; Franny und ich hielten uns in dem Löffelbagger die Ohren zu - als müsse dieser gewaltigen plötzlichen Helligkeit zwangsläufig eine Explosion folgen. Und der alte Polizist Howard Tuck spürte, wie sein Fuß in dem Moment von der Kupplung rutschte, als sein Herz stehenblieb und er eine Welt verließ, in der Hotels so schlagartig zum Leben erwachen konnten.
Franny und ich waren als erste am Streifenwagen. Wir sahen den aufs Lenkrad gekippten Körper des Polizisten und hörten das durchdringende Hupen. Vater und Mutter und Frank kamen aus dem Hotel New Hampshire gelaufen, als gebe das Polizeiauto das Signal zu einer weiteren Feuerlöschübung.
»Jessas, Howard, du bist tot«, sagte Vater zu dem alten Mann und hörte nicht auf ihn zu schütteln.
»Das haben wir nicht gewollt, das haben wir nicht gewollt«, sagte Franny.
Vater gab dem alten Howard Tuck einen Schlag auf die Brust und legte ihn flach auf die Vordersitze des Polizeiwagens; dann versetzte er ihm noch einen Schlag gegen die Brust.
»Ruft doch jemand an!« sagte Vater, aber in unserem unwahrscheinlichen Haus gab es kein Telefon, das funktionierte. Vater blickte auf das verwirrende Labyrinth aus Kabeln und Schaltern und Hör- und Sprechmuscheln in dem Streifenwagen. »Hallo? Hallo!« rief er irgendwo hinein und drückte irgendwo drauf. »Himmel Arsch, wie funktioniert denn dieses Scheißding?« schrie er.
»Wer spricht da?« fragte eine Stimme irgendwo im Gewirr der Kabel.
»Schickt einen Krankenwagen in den Elliot Park«, sagte mein Vater.
»Halloween-Alarm?« sagte die Stimme. »HalloweenProbleme? Hallo, hallo.«
»Jessas Gott, wir haben Halloween!« sagte Vater. »Gottverdammte blöde Technik!« rief er und schlug mit einer Hand auf das Armaturenbrett des Streifenwagens ein; gleichzeitig versetzte er der regungslosen Brust Howard Tucks mit der anderen Hand einen ziemlich kräftigen Schlag.
»Wir können einen Krankenwagen herschaffen!« sagte Franny. »Den Krankenwagen der Schule!«
Und ich lief mit ihr durch den Elliot Park, durch das überwältigende Licht, das dem Hotel New Hampshire entströmte. »Heiliger Strohsack«, sagte Iowa-Bob, als wir ihm am Rand des Parks auf der Pine Street begegneten; er blickte auf das hell erleuchtete Hotel, als habe die Eröffnung ohne ihn stattgefunden. In dem unnatürlichen Licht kam mir Coach Bob viel älter vor, aber wahrscheinlich sah er nur so alt aus, wie er war - ein Großvater und ein abdankender Coach mit einem noch ausstehenden Spiel.
»Howard Tuck hatte einen Herzschlag!« rief ich ihm zu, und Franny und ich liefen weiter zur Dairy School - die immer schon ihre eigenen, für einen Herzschlag ausreichenden Tricks auf Lager hatte, insbesondere an Halloween.
4.
Franny verliert einen Kampf
An Halloween schickte die Polizei der Stadt Dairy den alten Howard Tuck wie gewöhnlich zum Elliot Park, doch die staatliche Polizei ließ zwei Wagen auf dem Schulgelände der Dairy School Streife fahren; außerdem verdoppelte die Schule die Zahl ihrer eigenen Sicherheitskräfte: die sonst nicht gerade traditionsreiche Dairy School war wegen ihrer Halloween-Geschichten ganz schön berüchtigt.
Es war Halloween gewesen, als eine der Pro-forma-Kühe auf dem
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