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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, riß das Netz die Füße unter mir weg, oder das Netz über mir riß mir den Kopf nach hinten, und ich fiel wieder hin. Franny kauerte auf allen vieren und hielt so das Gleichgewicht. Mit uns im Netz war eine große braune Tüte, aus der sich die Halloweenbeute des kleinen Jungen im Gorillakostüm ergoß - überzuckerter Mais und klebrige Klumpen aus Popcorn, die unter uns zerbröselten, und in knisterndes Zellophan gewickelte Lutscher. Der Junge im Gorillakostüm kreischte atemlos und hysterisch, als sei er kurz vor dem Ersticken, und Franny legte die Arme um ihn und versuchte ihn zu beruhigen. »Ist ja gut, es ist nur ein fieser Scherz«, sagte sie zu ihm. »Die lassen uns schon wieder laufen.«
    »Riesenspinnen!« schrie das krampfhaft zuckende Kind und schlug dabei auf sich selber ein.
    »Nein, nein«, sagte Franny. »Keine Spinnen. Es sind nur Menschen.«
    Aber ich glaubte zu wissen, was für Menschen es waren; die Spinnen wären mir lieber gewesen.
    »Wir haben vier erwischt!« sagte jemand - eine Stimme, die ich aus dem Umkleideraum kannte. »Gleich vier von diesen Fickern auf einmal!«
    »Wir haben einen kleinen und drei große erwischt«, sagte eine andere vertraute Stimme, die Stimme eines Ballträgers oder eines Abwehrspielers - es war schwer zu sagen.
    Taschenlampen blinkten uns an wie die Augen von ziemlich mechanischen Spinnen in der Nacht.
    »Sieh mal an, wen haben wir denn da«, sagte die Stimme, die das Kommando führte, sagte der Spielmacher namens Chipper Dove.
    »Hübsche kleine Füße«, sagte Harold Swallow.
    »Einen wunderschönen Teint«, sagte Chester Pulaski.
    »Ein hübsches Lächeln hat sie auch«, sagte Lenny Metz.
    »Und den besten Arsch der ganzen Schule«, sagte Chipper Dove. Franny war auf den Knien.
    »Howard Tuck hatte einen Herzschlag!« erzählte ich ihnen allen. »Wir müssen einen Krankenwagen holen!«
    »Laßt den Scheißaffen laufen«, sagte Chip Dove. Das Netz verschob sich. Der dünne schwarze Arm Harold Swallows schnappte den kleinen Jungen im Gorillakostüm aus dem Spinnennetz und entließ ihn in die Nacht. »Belohnst du mich, verschon ich dich!« sagte Harold, und der kleine Gorilla war verschwunden.
    »Bist du das, Firestone?« fragte Dove, und die Taschenlampe erfaßte den weichen Jungen namens Firestone, der unten im Netz lag und aussah, als wolle er einschlafen: die Knie hatte er wie ein Embryo an die Brust gezogen, die Augen geschlossen, die Hand vor dem Mund.
    »Firestone, du Tunte«, sagte Lenny Metz. »Was machst du da?«
    »Er lutscht am Daumen«, sagte Harold Swallow.
    »Laßt ihn laufen«, sagte der Spielmacher, und Chester Pulaskis verwüsteter Teint blühte im Licht der Taschenlampe einen Augenblick auf; er zerrte den schlafenden Firestone aus dem Netz. Nach einem kurzen Patschen, von Fleisch gegen Fleisch, hörten wir den aufgewachten Firestone davontraben.
    »Nun seht mal, wer noch übrig ist«, sagte Chipper Dove.
    »Ein Mann hatte einen Herzschlag«, sagte Franny. »Wir gehen wirklich einen Krankenwagen holen.«
    »Im Moment geht ihr nirgendwo hin«, sagte Dove. »He, Kleiner«, sagte er zu mir und leuchtete mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht. »Weißt du, was ich von dir erwarte, Kleiner?«
    »Nein«, sagte ich. Und jemand trat mit dem Fuß nach mir.
    »Ich erwarte von dir, Kleiner«, sagte Chipper Dove, »daß du dableibst in unserem riesigen Spinnennetz, bis eine der Spinnen sagt, daß du gehen kannst. Verstanden?«
    »Nein«, sagte ich, und wieder gab mir jemand einen Tritt, diesmal etwas kräftiger.
    »Sei vernünftig«, sagte Franny zu mir.
    »Ganz richtig«, sagte Lenny Metz. »Sei vernünftig.«
    »Und du weißt, was ich von dir erwarte, Franny?« fragte Chipper Dove, aber Franny reagierte nicht. »Ich erwarte von dir, daß du mir noch einmal dieses Plätzchen zeigst«, sagte er, »das Plätzchen, wo wir allein sein können. Erinnerst du dich?«
    Ich versuchte, näher an Franny heranzukriechen, aber jemand zog das Netz noch enger um mich herum.
    »Sie bleibt bei mir!« brüllte ich. »Franny bleibt bei mir.«
    Ich lag zu dem Zeitpunkt flach auf der Hüfte, das Netz um mich wurde immer enger, und jemand kniete in meinem Rücken.
    »Laßt ihn in Frieden«, sagte Franny. »Ich geh ja mit.«
    »Bleib doch einfach hier und rühr dich nicht, Franny«, sagte ich, aber sie ließ sich von Lenny Metz unter dem Netz hervorziehen. »Denk dran, was du mir erzählt hast, Franny!« rief ich ihr zu. »Weißt du noch

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