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Das Hungerjahr - Roman

Das Hungerjahr - Roman

Titel: Das Hungerjahr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aki Ollikainen
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in die Flammen. Marja starrt aus dem Fenster in die Dunkelheit, die Bäuerin auf der anderen Seite des Tisches starrt Marja an.
    »Das sind Zeiten der Demut, man kann die Kartoffeln kaum von den Blaubeeren unterscheiden«, sagt Lehto.
    »Habt ihr einen Ort, wo ihr hingehen könnt … Verwandtschaft?«, fragt die Bäuerin.
    »Wir wollen nur irgendwohin, wo es wenigstens Brot gibt.«
    »Da müsst ihr bald bis nach Sankt Petersburg gehen. Und ich weiß nicht, ob sie dort Brot haben«, seufzt der Bauer.
    »Gib uns eins der Kinder zum Großziehen. Auch wir haben das Brot nicht zu reichlich, aber eins könnten wir aufnehmen. Das Mädchen weiß ja auch schon allerhand zu tun«, schlägt die Bäuerin vor.
    »Mataleena geb ich nicht her«, schnaubt Marja und bricht gleich darauf in leises Schluchzen aus.
    »Ich … weiß nicht, wohin ich … ohne Mataleena … allein mit Juho …«, bringt sie hervor.
    »Dann lass den Jungen hier«, schlägt der Bauer vor.
    »Juho?«
    »Wir halten Korpela so weit in Stand, dass Juho ihn später mal übernehmen kann. Aber ihr könnt auch zurückkommen. Es ist nicht gesagt, dass ihr …«
    »Ich glaube nicht, dass wir je nach Korpela zurückkehren«, erklärt Marja.
    »Schlaf erst mal drüber. Der Junge hätte es gut bei uns«, sagt Lehto.
    Die Bäuerin meint, sie sei sicher, Marja und die Kinder würden noch einmal zusammen Weihnachten in der Korpela-Kate feiern. Aber wegen des übertriebenen Eifers der Bäuerin ahnt Marja, dass die Lehtos nicht an eine Rückkehr Marjas und der Kinder vom Bettelgang glauben. Sie wünscht dem Paar eine gute Nacht, geht zur Bank neben der Tür und legt sich dort auf die Seite. Vor der Tür tobt der Wind wie ein hungriges Wolfsrudel. Marja starrt auf das Teerfass in der Stube, aus dem Fass steigt der Schlaf und verschlingt sie.
    Es ist Frühling. Juhani hat aus den Skiern Tee gekocht und im Fass in die Stube getragen. Juhani schläft auf der Bank. Marja steht auf der Treppe und betrachtet die Kinder beim Blumenpflücken. Mataleena trägt das schwarze Beerdigungskleid der Lehto-Bäuerin, Juho Stiefel und Mütze wie der Lehto-Bauer. Plötzlich deutet Juho auf fliegende Schwäne am Himmel.
    »Schaut, da ist Vater!«
    Das kann nicht sein. Marja blickt nach oben und begreift, dass der erste Schwan tatsächlich Juhani ist. Sie dreht sich um und schaut ins Haus hinein. Auf der Bank liegt Juho und streckt die Hand nach seiner Mutter aus. Beide Augen sind vom Star geschlagen. Sein Gesicht ist aschgrau. Aus dem Teerfass steigt ein Schneewirbel auf.
    Marja dreht sich wieder um und blickt über den Hof. Die Blätter in den Bäumen sind verschwunden, das Gras welkt. Mataleena steht allein mitten im Hof und spricht mit Juhos Stimme. Marja will ins Haus stürzen, um Juho zu retten, aber die Entfernung zur Tür wächst immer mehr. Marja spürt den Winter aus der Finsternis des Waldes heraus auf die Kate zustürmen. Er ist nicht mehr weit weg.
    Sie versucht zu schreien, aber es kommt kein Ton heraus, stattdessen bläst sie schneidenden Wind aus, der die Fenster der Kate mit Reif überzieht. Auf einmal fängt die Tür an zu brüllen. Zuerst vor tierischem, grellen Entsetzen, dann schreit sie mit Mataleenas Stimme:
    »Mutter, Mutter …!«
    »Mutter, Mutter!«
    Mataleena rüttelt ihre Mutter wach. Marja wird gewahr, dass sie bei Lehtos in der Stube liegt und sucht mit dem Blick nach Juho. Er sitzt am Tisch und löffelt dünne Milchsuppe. Marja keucht, und die Bäuerin beeilt sich, ihr eine Tasse Wasser zu geben.
    »Ich gebe meine Kinder nicht her«, stößt Marja aus, nachdem sie gierig getrunken hat.
    »Der Bauer spannt gerade das Pferd ein. Er wird euch bis zur Kirche bringen«, sagt die Bäuerin.
    Sie setzt sich neben Marja hin und streicht ihr scheu über die Haare.
    »Ich kann es nicht«, flüstert Marja der Bäuerin zu, die darauf nickt.
    Die Rippen des Pferdes sehen aus wie Finger, die zum Gebet gefaltet sind. Wenn es wiehert, klingt es nach dem Wehklagen einer alten Frau. Das Tier ist ausgezehrt wie der Vater, denkt Mataleena, schüttelt dann aber den Kopf, nein, der Vater ist stark, der Vater holt mit Lehtos Pferd große Bäume aus dem Wald, obwohl so viel Schnee liegt, dass Mataleena bis zum Kopf darin versinken würde. Sie versinkt jedoch nicht, denn ihr Vater setzt sie auf den Schlitten und trägt sie auf dem Arm in die Stube, dort kommt der Winter nicht hinein. Der Säugling schläft im Spankorb, der Korb hängt an einem Seil am Deckenbalken, und Mataleena wiegt den

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