Das Imperium der Woelfe
Stirn, nur mit Mühe beherrschte er seine Stimme: »Wer hat in dieser Nacht die Patrouille geleitet?« »Beauvanier.«
Christophe Beauvanier, Hauptmann im Revier Louis-Blanc, ein Muskel-Freak, der seine Tage in Sportstudios verbrachte. Nicht die Art Polizist, der solche Geschichten auf seine Kappe nimmt. Man musste weiter oben suchen... Eine innere Unruhe packte Schiffer, die klatschnassen Kleider schlotterten an seinem Körper.
Der Nabob schien seinen Gedanken zu folgen. »Sie decken die Wölfe, Schiffer.« »Du redest Unsinn.«
»Ich sage die Wahrheit, und das weißt du. Sie haben eine Zeugin ausgelöscht. Eine Frau, die alles gesehen hat. Vielleicht das Gesicht eines der Mörder. Vielleicht ein Detail, an dem man die Typen erkannt hätte. Sie decken die Wölfe. So einfach ist es. Und zu den anderen Morden haben sie ihren Segen gegeben. Spiel dich bloß nicht als Herr der Gerechtigkeit auf. Ihr seid nicht besser als wir.«
Schiffer vermied es zu schlucken, um das Brennen in seiner Kehle nicht zu verschlimmern. Gurdilek täuschte sich. Der Einfluss der Türken auf das französische Polizeinetz konnte nicht so weit nach oben reichen, kein Zweifel. Und er musste es wissen, ganze zwanzig Jahre war er ein Wanderer zwischen beiden Welten gewesen. Es musste eine andere Erklärung geben.
Ein Detail ging ihm im Kopf herum. Ein Detail, das die Version von einem abgekarteten Spiel an höchster Stelle stützte: Warum übertrug man Paul Nerteaux, einem jungen, unerfahrenen Polizisten, der keine Ahnung hatte, drei Serienmordfälle? Der Junge bildete sich ein, dass man ihm den Fall zutraute, dabei sah alles danach aus, dass man die Sache aus der Welt schaffen wollte...
Die Gedanken rasten unter seinen brennenden Schläfen umher. Wenn diese Sauerei den Tatsachen entsprach, wenn die Affäre eine französisch-türkische Verschwörung war, wenn die politischen Machthaber beider Länder das Leben dieser armen Mädchen und die Hoffnungen eines jungen Polizisten ihren Interessen geopfert hatten, dann würde er, Schiffer, dem Jungen bis zum Schluss helfen.
Zwei gegen alle: Das war eine Sprache, die er verstand.
Durch den Dampf wich er ein paar Schritte zurück, grüßte den alten Pascha zum Abschied und stieg wortlos die Stufen hinauf.
Gurdilek rief ihm lachend nach: »Es wird Zeit, vor der eigenen Tür zu kehren, mein Bruder!«
Kapitel 44
Mit der Schulter stieß Schiffer die Tür zum Kommissariat auf. Alle Blicke richteten sich auf ihn, den bis auf die Haut durchnässten früheren Kollegen. Schiffer erwiderte die Blicke, er genoss den bestürzten Gesichtsausdruck der zwei Mannschaften Verkehrspolizei, die in Regenmänteln vor ihm standen, kurz vor dem Ausrücken. Zwei Hauptkommissare in Lederjacken legten die rote Armbinde an. Die großen Manöver hatten bereits begonnen.
Am Empfang entdeckte Schiffer einen Stapel Phantombilder. Er dachte an Paul Nerteaux, der in allen Polizeidienststellen des 10. Arrondissements seine Plakate wie politische Flugblätter verteilte, ohne eine Sekunde auch nur zu ahnen, dass man ihn in dieser Sache an der Nase herumführte. Vor Wut geriet Schiffer heftig ins Schwitzen.
Wortlos stieg er zur ersten Etage hinauf. Er stürzte in einen Flur mit lauter Sperrholztüren und ging gleich auf die dritte Tür zu. Beauvanier hatte sich nicht verändert. Breite Schultern, schwarze Lederjacke, Nike-Schuhe mit zu dicker Sohle. Der Polizist litt an einer seltsamen Krankheit, die sich unter Bullen immer mehr verbreitete: Jugendwahn. Er war fast fünfzig und spielte doch hartnäckig weiter den ungezwungenen Rapper.
Er war gerade dabei, seinen Gürtel für die nächtliche Expedition anzulegen. »Schiffer?« Ihm verschlug es fast die Sprache: »Was machst du denn hier?«
»Wie geht's, meinTäubchen?«
Bevor er antworten konnte, hatte Schiffer ihn am Kragen seiner Jacke gepackt und gegen die Wand gedrückt. Schon kamen Kollegen ihm zu Hilfe, doch Beauvanier machte über den Kopf des Angreifers hinweg ein beschwichtigendes Zeichen.
»Kein Problem, Jungs, er ist ein Kumpel!«
Schiffer sagte leise ganz dicht an seinem Ohr: »Sema Gokalp. Am dreizehnten November. Im türkischen Bad von Gurdilek.«
Seine Augen erstarrten, seine Lippen zitterten. Schiffer schlug ihm den Kopf gegen die Wand. Die Polizisten stürzten sich auf ihn, schon spürte er, wie sie ihn an der Schulter packten, als Beauvanier ihnen erneut ein Zeichen gab und gezwungen lachte: »Das ist ein Freund, hab ich gesagt. Alles in Ordnung!«
Der
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