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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Entzündung der Atemwege würde er künftig fortwährend warme und feuchte Dämpfe einatmen müssen.
    Der Arzt ließ einen Dolmetscher kommen, um dem jungen Emigranten sein trauriges Schicksal zu erklären und ihm mitzuteilen, dass er in zehn Tagen mit einem Charterflug nach Istanbul gebracht würde. Drei Tage später floh Talat Gurdilek, sein Kopf von Binden umwickelt wie eine Mumie, und erreichte zu Fuß die französische Hauptstadt.
    Schiffer hatte ihn noch nie ohne Inhaliergerät gesehen. Als junger Betriebsleiter verwendete er es ständig, immer wieder unterbrach er ein Gespräch, um Luft zu holen. Später trug er eine durchsichtige Maske, die seine heisere Stimme schützte. Sein Zustand hatte sich verschlechtert, doch sein Reichtum wurde immer größer. Ende der achtziger Jahre hatte Gurdilek das türkische Bad La Porte bleue in der Rue du Faubourg-Saint-Denis erworben und sich einen Raum für seinen persönlichen Bedarf herrichten lassen. Eine Art riesiger Lunge, ein gekachelter Zufluchtsort mit Dämpfen aus mentholhaltigem Balsam.
    »Salem aleikum, Talat! Entschuldigung, dass ich dich bei deinen Waschungen störe.«
    Der Mann lachte erneut, von einer Dampfwolke umgeben: »Aleikum salaam, Schiffer. Kehrst du von den Toten zurück?« Die Stimme des Türken klang wie das Pfeifen brennender Äste.
    »Es wäre richtiger zu sagen, die Toten schicken mich.«
    »Ich habe mit deinem Besuch gerechnet.«
    Schiffer zog seinen Trenchcoat aus. Er war nass bis auf die Haut und stieg die Stufen des Beckens hinunter: »Man könnte meinen, alle warten auf mich. Was kannst du mir über die Morde sagen?«
    Der Türke stieß einen tiefen Seufzer aus, der wie schepperndes Eisen klang: »Als ich mein Land verließ, hat meine Mutter Wasser hinter meine Schritte gegossen. Sie hat den Weg ins Glück vorgezeichnet, auf dem ich zurückkehren sollte. Ich bin nie zurückgekommen, mein Bruder. Ich bin in Paris geblieben, und ich habe gesehen, wie die Dinge immer schlimmer wurden. Hier läuft gar nichts mehr.«
    Der Polizist war nur noch zwei Meter von dem Nabob entfernt, doch noch immer konnte er das Gesicht nicht erkennen.
    »Das Exil ist hart und mühevoll, wie der Dichter sagt. Und ich füge hinzu, dass es immer härter wird. Früher hat man uns wie Hunde behandelt. Wir wurden ausgebeutet, bestohlen, verhaftet. Heute werden unsere Frauen getötet. Wo soll das noch enden?«
    Schiffer war nicht in der Stimmung, solchen Alltagsphilosophien zu folgen.
    »Du setzt die Grenzen«, versetzte er. »Drei in deinem Revier getötete Arbeiterinnen, und eine von ihnen stammt aus deinem Betrieb. Das ist ein starkes Stück.«
    Gurdilek machte eine verächtliche Handbewegung. Seine dunklen Schultern sahen aus wie ein verkohlter Hügel. »Wir sind hier in Frankreich. Eure Polizei muss uns schützen.«
    »Dass ich nicht lache. Die Wölfe sind hier, und das weißt du genau. Wen suchen sie? Und warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du willst es nicht wissen.«
    Es trat Schweigen ein, der Türke atmete tief und keuchend. »Ich bin Herr dieses Viertels«, sagte er schließlich, »nicht Herr meines Landes. Diese Sache hat ihre Wurzeln in der Türkei.«
    »Wer hat sie geschickt?«, fragte Schiffer mit Nachdruck. »Die Clans aus Istanbul? Die Familien von Antep? Die Lazes? Wer?«
    »Schiffer, ich weiß es nicht, ich schwör's.«
    Der Bulle trat vor. Sogleich erzitterte der Nebel im Schwimmbad: die Leibwächter. Er blieb stehen, noch immer versuchte er, Gurdileks Züge zu erkennen, doch er sah nur Teile von Schultern, Händen und Oberkörper. Eine matte, schwarze, vom Wasser gewellte Haut wie Krepp-Papier.
    »Also willst du zulassen, dass das Massaker weitergeht?«
    »Es hört auf, wenn die Sache geregelt ist, wenn sie das Mädchen gefunden haben.«
    »Oder wenn ich sie gefunden habe.«
    Die schwarzen Schultern zuckten.
    »Da kann ich nur lachen. Du hast nicht das passende Format dafür, mein Freund.«
    »Wer kann mir dabei helfen?«
    »Niemand. Wenn irgendjemand irgendwas wüsste, hätte er es schon gesagt. Aber nicht dir. Denen. Die Leute im Viertel wollen ihre Ruhe haben.«
    Schiffer überlegte einen Augenblick. Gurdilek hatte Recht. Und doch rätselte er die ganze Zeit an einer Frage herum: Wie war es dieser Frau gelungen, angesichts dieser Gemeinschaft bis jetzt durchzuhalten? Und warum suchten die Wölfe immer noch im Viertel ? Warum waren sie sicher, dass sie sich nach wie vor in der Nähe versteckte?
    Er wechselte das Thema. »Wie ist das in deinem Betrieb

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