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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Fingerabdrücke haben nichts ergeben.«
    »Wie alt?«
    »Ungefähr fünfundzwanzig.«
    »Todesursache?«
    »Wir können es uns aussuchen. Schläge. Verletzungen. Verbrennungen. Der Körper ist in demselben Zustand wie das Gesicht. Vorher hat man sie mehr als vierundzwanzig Stunden gefoltert. Ich warte noch auf Einzelheiten. Die Autopsie läuft gerade.«
    Der Rentner hob die Augenlider: »Warum zeigst du mir das?«
    »Die Leiche wurde gestern Früh in der Nähe des Krankenhauses Saint-Lazare gefunden.«
    »Na und?«
    »Das war Ihr Gebiet. Sie haben mehr als zwanzig Jahre im 10. Arrondissement verbracht.«
    »Deswegen bin ich noch kein Pathologe.«
    »Ich glaube, das Opfer ist eine türkische Arbeiterin.«
    »Wieso türkisch?«
    »Wegen des Viertels, und dann die Zähne. Sie weisen Spuren von Goldfüllungen auf, die so nur noch im Mittleren Orient gemacht werden.« Etwas lauter fügte er hinzu: »Wollen Sie die Bezeichnung der Legierung wissen?«
    Schiffer zog seinen Teller wieder zu sich heran und setzte seine Mahlzeit fort.
    »Wieso eine Arbeiterin?«, fragte er nach beharrlichem Kauen.
    »Die Finger«, antwortete Paul. »An den Spitzen lauter Narben. Typisch für bestimmte Näharbeiten. Ich habe es überprüft.«
    »Passt ihre Beschreibung auf irgendeine Vermisstenanzeige?«
    Der Rentner tat, als verstünde er nicht.
    »Keinerlei Vermisstenanzeige«, sagte Paul geduldig. »Kein Suchauftrag. Es ist eine Illegale, Schiffer. Jemand, der in Frankreich als Bürger nicht existiert. Eine Frau, nach der niemand suchen wird. Das ideale Opfer.«
    Chiffre aß langsam und ausgiebig sein Steak zu Ende. Dann legte er das Besteck zur Seite und nahm die Fotos ein zweites Mal zur Hand, nachdem er seine Brille aufgesetzt hatte. Er verweilte mehrere Sekunden bei jedem Bild, untersuchte die Verletzungen in aller Gründlichkeit.
    Widerwillig blickte Paul auf die Bilder herab, die auf dem Kopf standen. Er sah die Öffnung der bis zum Ansatz abgeschnittenen schwarzen Nase, sah die Einschnitte, die bläuliche Hasenscharte, abscheulich.
    Schiffer legte den Stapel Fotos auf den Tisch, griff nach einem Jogurt und zog sorgfältig den Deckel ab, bevor er mit dem Löffel in den Becher fuhr.
    Paul spürte, wie ihm langsam die Geduld ausging. »Ich habe mit den Ermittlungen begonnen«, setzte er neu an. »Die Werkstätten, die Familien, die Bars. Ich habe nichts gefunden. Niemand ist verschwunden, alles ganz normal, denn schließlich gibt es niemanden. Sie sind Illegale, sie leben im Untergrund. Wie soll man in einer Gemeinschaft, die man nicht zu sehen bekommt, ein Opfer finden?«
    Schiffer schwieg und nahm einen Löffel Jogurt. Paul fuhr fort: »Kein Türke hat etwas gesehen. Oder mir etwas sagen wollen. Niemand hat mir irgendetwas gesagt. Aus dem einfachen Grund: Keiner kann Französisch.«
    Schiffer löffelte weiter. Schließlich sagte er herablassend: »Und da haben sie dir von mir erzählt.«
    »Alle haben von Ihnen gesprochen. Beauvanier, Monestier, die Kommissare und Schutzleute. Nach allem, was sie sagen, können nur Sie diesen verdammten Fall voranbringen.«
    Schweigen. Schiffer wischte sich die Lippen mit seiner Serviette ab und griff erneut nach dem Plastikbecher.
    »Das ist alles lange her. Ich bin jetzt in Rente und habe keinen Sinn mehr für so was.« Er zeigte auf die Wettscheine. »Ich widme mich jetzt neuen Aufgaben.«
    Paul stützte sich an der Tischkante ab, den Oberkörper nach vorne gebeugt: »Schiffer, er hat ihr die Füße gebrochen. Die Röntgenaufnahmen zeigen mehr als siebzig Knochensplitter, die im Fleisch stecken. Er hat ihr die Brüste so gründlich abgeschnitten, dass man durch das Fleisch die Rippen zählen kann. Er hat ihr eine mit Rasierklingen bewehrte Stange in die Vagina gestoßen.« Er schlug auf den Tisch. »Ich will nicht, dass das so weitergeht.«
    Der alte Polizist hob fragend die Augenbrauen: »Wieso weitergeht?«
    Paul drehte sich auf seinem Stuhl und zog mit ungeschickter Hand eine Akte hervor, die er in der Innentasche seines Parkas aufbewahrt hatte.
    Widerwillig stieß er hervor: »Es gibt drei.«
    »Drei?«
    »Die Erste wurde im November entdeckt. Eine Zweite im Januar. Und jetzt diese da. Jedes Mal im türkischen Viertel. Auf dieselbe Weise gefoltert und entstellt.«
    Schiffer sah ihn schweigend an und hielt den Löffel in der Luft, als Paul losbrüllte und den Pferde-Kommentator übertönte: »Mein Gott, Schiffer, begreifen Sie nicht? Im türkischen Viertel treibt ein Serienmörder sein Unwesen.

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