Das Imperium der Woelfe
raue Stimmchen; ein Schönheitsfleck, bei dessen Anblick ihn fröstelte wie bei der Berührung von Stoff oder Baumrinde. Kein Zweifel, in diesem Kind pochte bereits das Herz einer Frau, nicht das seiner Mutter, dieses gerade nicht, sondern das Herz eines schelmischen, lebhaften, einzigartigen Wesens.
Es gab etwas Neues auf der Welt: Céline war da. Und Paul machte eine radikale Kehrtwendung, leidenschaftlich übte er sein Sorgerecht aus, und die regelmäßigen Treffen mit seiner Tochter bauten ihn auf. Er machte sich daran, sein Selbstbewusstsein zurückzuerobern. Er träumte von sich als einem Helden, einem unbestechlichen Polizisten, rein gewaschen von allem Schmutz; als einem Mann, dessen Bild im Spiegel jeden Morgen strahlte.
Um neu anzufangen, wählte er seine ureigenste Domäne: das Verbrechen. Er dachte nicht mehr an die Kommissarlaufbahn, sondern bewarb sich auf eine Stelle bei der Pariser Kriminalpolizei. Trotz der langen Zeit, in der er nachlässig gearbeitet hatte, bekam er 1999 einen Posten als Polizeihauptmann. Er wurde zu einem eifrigen, glühenden Verfolger und begann von einem Fall zu träumen, der ihn ganz nach oben bringen würde. Einem Fall, von dem jeder Polizist aus Berufung träumt: die Jagd nach einem wilden Tier, ein einsames Duell, Mann gegen Mann mit einem Feind, der diesen Namen verdiente.
Da hörte er von der ersten Leiche. Eine rothaarige Frau, gefoltert, entstellt, entdeckt in einer Hauseinfahrt, nahe beim Boulevard de Strasbourg, am fünfzehnten November 2001. Keine Verdächtigen, kein Motiv und sozusagen kein Opfer... Es gab keine Vermisstenanzeige, die zu der Leiche passte. Die Fingerabdrücke waren nicht gespeichert. Beim Kriminaldezernat war die Sache schon ad acta gelegt worden. Sicher eine Nutten- und Zuhältergeschichte; die Rue Saint-Denis war kaum hundert Meter entfernt. Paul spürte instinktiv, dass etwas in der Luft lag, und er besorgte sich die Akte - Protokolle, gerichtsmedizinischer Bericht, Fotos der Leiche. Während der Weihnachtsferien, als alle Kollegen mit ihren Familien feierten und Céline in Portugal ihre Großeltern besuchte, studierte er gründlich die Dokumente. Bald begriff er, dass es sich nicht um eine Sache für die Sitte handelte. Weder die Folterungen noch die Verstümmelungen des Gesichts passten zu der Vermutung, dass der Täter aus dem Zuhältermilieu stammte. Und wäre das Opfer wirklich eine Hure gewesen, hätte die Überprüfung der Fingerabdrücke zu einem Ergebnis geführt - von allen Huren des 10. Arrondissements gab es eine Akte.
Er beschloss, sein Augenmerk auf die Ereignisse im Viertel Strasbourg-Saint-Denis zu richten. Lange brauchte er nicht zu warten, denn keine zwei Monate später wurde im Hof einer türkischen Werkstatt in der Rue du Faubourg-Saint-Denis eine zweite Leiche entdeckt. Derselbe Typ Opfer, eine Rothaarige, für die es keine Vermisstenanzeige gab; dieselben Folterspuren, dieselben Schnitte im Gesicht.
Paul bemühte sich, Ruhe zu bewahren, doch war er sicher, dass er es mit einem Serienmörder zu tun hatte, und so lief er zu Thierry Bomarzo, dem Untersuchungsrichter, der für die Sache zuständig war und ihm die Leitung des Falles übertrug. Doch es fehlte jede heiße Spur: Die Leute von der Schutzpolizei hatten den Tatort versaut, und die Spurensicherung hatte weit und breit keinen Anhaltspunkt gefunden.
Paul begriff intuitiv, dass er den Mörder auf seinem eigenen Terrain suchen, dass er ins türkische Viertel hinein musste. Er ließ sich als einfacher Mitarbeiter des SARIJ zur Kriminalpolizei des 10. Arrondissements in der Rue de Nancy versetzen. Er gewöhnte sich wieder an das Alltagsleben eines simplen Bullen, beschäftigte sich mit ausgeraubten Witwen, Lebensmittelhändlern, denen die Ware gestohlen worden war, und mit Nachbarn, die sich über Lärmbelästigungen beschwerten. So verging der Februar. Paul quälte sich mit Gewissensbissen. Er fürchtete sich vor einem erneuten Leichenfund - und hoffte innerlich zugleich darauf. Er erlebte Momente der Erregung und Tage, in denen ihn eine tiefe Depression ergriff. Wenn er ganz unten war, besuchte er die anonymen Gräber der beiden Opfer auf dem Friedhof von Thiais in Val-de-Marne.
Dort schwor er den beiden Frauen angesichts der Grabsteine, auf denen nur eine Nummer stand, sie zu rächen, den Verrückten zu finden, der sie so gequält hatte. Und irgendwo in seinem Kopf gab er Céline ein Versprechen: Er würde den Täter fassen. Für sie. Für sich. Damit alle erführen,
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