Das Imperium
imstande sein mochte.
»Es ist mir eine Ehre, Erstdesignierter.« Und aus ihrem Mund kam ein Strom von Musik, Melodien und Tönen, die weder Worte noch Verse brauchten, nur kristallene Tonfolgen. Jora’h fühlte sich wie hypnotisiert.
Seit Jahrzehnten, seit er mündig geworden war, führten seine Assistenten Listen von Frauen, die sich darum beworben hatten, seine Partnerin zu werden. Er hatte seine Pflichten mit Fleiß erfüllt und sorgfältig gewählt, um seine Adel-Gene auch unter den niederen Geschlechtern zu verteilen. Er empfing Schwimmerinnen und Geschuppte. Er ehrte Frauen, die kaum mehr humanoid waren. Alle Geschlechter verfügten über erstaunliche Fähigkeiten und Jora’h fand überall Schönheit und Kraft, selbst dort, wo andere Adlige nur Hässlichkeit gesehen hätten.
Der Erstdesignierte brachte jeder seiner Partnerinnen Höflichkeit und Respekt entgegen, aber man erwartete nicht von ihm, sich zu verlieben. Auch bei unattraktiven Frauen achtete Jora’h darauf, dass sie sich nicht herabgesetzt oder unzulänglich fühlten.
Er erinnerte sich insbesondere an eine große, deforme Frau aus dem Krieger-Geschlecht, die er im vergangenen Jahr geschwängert hatte. Der Weise Imperator Cyroc’h hatte seinen ältesten Sohn immer wieder darauf hingewiesen, dass jede ildiranische Art eine einzigartige Rolle im Reich spielte, und Jora’hs Pflicht bestand darin, sie alle zu ehren. Außerdem konnte sich der Erstdesignierte an genug wunderschönen, exotischen Partnerinnen erfreuen, die ihn für solche Unannehmlichkeiten entschädigten. Was die Kriegerin betraf… Der Sex mit ihr hatte sich durch eine besondere athletische und anstrengende Komponente ausgezeichnet.
Ari’ts Gesang trug Jora’h durch Gedanken und Erinnerungen, bis er nicht mehr wusste, wo er war. Langsam und auf subtile Weise veränderten sich die Melodien; die einzelnen Töne wurden voller, bekamen immer größere erotische Ausstrahlungskraft. Jora’hs Erregung wuchs, was zweifellos der Absicht der Sängerin entsprach.
Ari’t sprach mit ihrer Musik zu ihm, verführte ihn mit ihrer Stimme. Atemlos näherte sich Jora’h ihr. Sie summte tief in der Kehle, selbst dann noch, als er sie küsste, als seine Lippen über ihre Wangen und den Hals strichen. Sein goldenes Haar knisterte und wogte, wie von einem Sturm aus statischer Elektrizität erfasst.
Zwar liebten sie sich mit großer Hingabe, aber Jora’h spürte, wie seine Gedanken erneut fortglitten, und vor seinem inneren Auge entstand ein Bild der schönen, bescheidenen Nira, die sich so sehr von allen ildiranischen Frauen unterschied.
83 BASIL WENZESLAS
Als Vorsitzender fand Basil Wenzeslas nie Ruhe.
Angesichts der Größe und Komplexität der Terranischen Hanse rechnete er ständig mit kritischen Situation und Notfällen. Immer wieder musste er Entscheidungen treffen, um Katastrophen zu vermeiden. In Momenten des Triumphes genoss König Frederick den Applaus und die Lobpreisungen; wenn etwas schief ging, bekamen anonyme, namenlose Bürokraten die Schuld. Basil blieb in jedem Fall hinter den Kulissen.
Die erbarmungslosen und unerklärlichen Angriffe der Fremden besorgten Basil seit Monaten, außerdem erforderte die massive Aufrüstung seine Aufmerksamkeit. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder Gelegenheit fand, sich einen Eindruck von den Fortschritten des neuen Prinzen Peter zu machen – er musste dafür sorgen, dass sich im großen politischen Teppich kein Knoten löste.
Basil saß in einem privaten Alkoven des Flüsterpalastes, trank Kardamomkaffee aus einer Porzellantasse und betrachtete von Überwachungskameras übermittelte Bilder, die den jungen Raymond Aguerra bei seiner Ausbildung zeigten. In einem fensterlosen Lehrzimmer mit mehreren Stühlen, Sitzbänken, Projektoren und Schreibtischen setzte der Kompi OX die Lektionen fort. Der Prinz wirkte unruhig und gelangweilt.
»Als die Ildiraner die Offiziere der Peary und mich zur Erde brachten, war die Überraschung groß«, sagte OX. »Nach hundertfünfundvierzig Jahren glaubten die Menschen auf der Erde, die Generationenschiffe wären für immer verloren. Als die Solare Marine der Ildiraner auftauchte – die erste fremde Zivilisation, mit der die Menschheit in Kontakt kam –, wusste die Öffentlichkeit zunächst nicht, wie sie reagieren sollte.«
Der alte Kompi ging auf und ab, während er seinen Vortrag fortsetzte. »Die ildiranischen Militäroffiziere trugen beeindruckende Uniformen und kreuzten mit ihren prächtigen
Weitere Kostenlose Bücher