Das Imperium
Mann. Beneto dankte ihm dafür, sein Wissen mit ihm geteilt und ihn mit allem vertraut gemacht zu haben.
»Du warst ein guter Schüler, Beneto. Du bist bereits mit den Dingen vertraut gewesen, die ich dich lehrte. Ich habe den Lernvorgang nur beschleunigt.«
Ruhige Zuversicht glänzte in Talbuns Augen, als er in die Nacht trat. Mit erstaunlich leichten Schritten ging er in Richtung des Hains, den er vor Jahren angepflanzt hatte. Beneto sah, wie der alte Mann den Umhang abstreifte und ihn auf den Boden fallen ließ, um dann nackt und barfuß in der Dunkelheit zu verschwinden.
Talbun spürte, wie ihm der Wind über die Haut strich. Er fühlte den Boden unter den Füßen, das weiche, moosartige Gewächs, das ihn hier und dort bedeckte. Er betrat den Hain und der Weltwald empfing ihn.
Während der vergangenen Jahre waren die jungen Bäume schnell gewachsen und ragten bereits weit empor, bildeten einen grünen Anker auf diesem so weit von Theroc entfernten Planeten. Talbun schritt langsam an den Stämmen vorbei, berührte die schuppige Rinde und grüßte jeden einzelnen Baum, auch jenen, den Beneto mitgebracht hatte, obgleich sie alle Teil des gleichen, immensen Selbst waren.
Schließlich kehrte er in die Mitte des Hains zurück, sank dort auf den Boden und lehnte die knochigen Schultern an den nächsten Baum. Er sah zum Himmel hoch, an dem sich hier und dort Sterne zeigten, während sich die Blattwedel hin und her neigten. Sie schienen ihm zu applaudieren… oder ihm zuzuwinken.
Talbun stellte einen Telkontakt her, um mit den Bäumen zu sprechen. Er schloss die Augen, schickte sein Bewusstsein in die Weltbäume, in ihre Wurzeln und hinaus in das weite Selbst des Weltwalds.
Er konzentrierte die letzten Gedanken, starb ganz bewusst und gab seine Seele frei, auf dass sie aufsteigen und von den Zweigen der goldenen Bäume empfangen werden konnte.
Später in der Nacht wurde der Wind heftiger, aber das Unwetter ging mit einem kurzen, willkommenen Regenschauer vorüber. Am nächsten Morgen verließ Beneto Talbuns Unterkunft – jetzt sein Quartier – und blickte zum blauen Himmel hoch. Der helle Sonnenschein ließ seine grüne Haut prickeln. Er trank Wasser und ging dann zum Hain, um seine letzte Pflicht dem alten grünen Priester gegenüber zu erfüllen.
Talbun lag friedlich im Schatten unter dem größten Weltbaum. Seine Lippen deuteten ein Lächeln an und Zufriedenheit zeigte sich im tätowierten, leblosen Gesicht.
Mit Rücksicht auf die nervenartigen Wurzeln der Weltbäume benutzte Beneto keine Schaufel. Allein mit seinen bloßen Händen grub er zwischen zwei weit auseinander stehenden Bäumen. In weniger als einer Stunde entstand ein flaches Grab. Vorsichtig hob er den federleichten Leichnam hoch und legte ihn ins Grab, in unmittelbarer Nähe der Wurzeln. Anschließend bedeckte er Talbun mit der Erde, nach der sich der alte grüne Priester jahrelang gesehnt hatte.
Beneto sprach ein leises Gebet und die Bäume flüsterten. Alle grünen Priester mit Zugang zum Weltwald wurden Zeugen der Bestattung.
Zufrieden kehrte Beneto zur Unterkunft zurück und wusch sich. Später wollte er Colony Town aufsuchen und den Siedlern die Nachricht bringen. Er wusste, dass die Trauer groß sein würde, denn Talbun war ihnen allen ein guter Freund gewesen. Beneto würde sich alle Mühe geben, sie zu trösten und in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten.
Wie es die Tradition verlangte, kehrte Beneto eine Stunde nach der Beerdigung in den Hain zurück und wählte einen hohen, gerade gewachsenen Weltbaum. Zwischen zwei besonders langen Blattwedeln fand er einen lebensfähigen Schössling und entfernte ihn – an seinen zarten, feuchten Wurzeln glänzte noch der Saft des Baumes. Beneto hielt ihn behutsam, trat zu Talbuns letzter Ruhestätte und grub in der Mitte ein Loch, um dort den neuen kleinen Baum zu Ehren des alten grünen Priesters zu pflanzen.
Er hatte Talbun hier bestattet, damit seine Moleküle vom Weltwald aufgenommen werden konnten. Als er nun grub, stellte er fest, dass von der Leiche des Alten nichts mehr übrig war – die Weltbäume hatten Talbun bereits absorbiert.
Mit einem bittersüßen Lächeln pflanzte Beneto den Schössling. Als er fertig war, stand er auf und sah sich im Hain um.
Erst sprach er leise zu sich selbst, dann wiederholte er die Worte durch den Telkontakt. Er versprach, immer mehr Weltbäume auf Corvus Landing zu pflanzen und seine heilige Arbeit zu leisten, damit sich der Weltwald im
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