Das Imperium
Hinsicht überhaupt keine Wahl.«
Furcht hatte sich in Nira geregt, als sie den nackten Ildiraner umarmte und seine Haut fühlte, seine festen Muskeln und einen angenehm warmen Atem, der ihr übers Gesicht strich. Jora’hs goldene Zöpfe knisterten wie mit statischer Elektrizität. »Aber bevor es so weit ist, Jora’h, musst du…«
Seine Fingerspitzen berührten ihre Lippen. »Kein Mann kann sich auf eine rituelle Kastration freuen, aber seit meiner Kindheit bin ich darauf vorbereitet. Derzeit besteht meine Pflicht darin, mit den verschiedenen Geschlechtern möglichst viele Kinder zu zeugen. Später wird es meine Aufgabe sein, das Netz des Thism zu verwalten, zum Herzen und inneren Geist des ildiranischen Volkes zu werden.« Jora’h streichelte Niras Schultern. »Aber bis dahin wird noch mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen. Sei unbesorgt, Nira. Wird unsere Liebe durch ihre Vergänglichkeit nicht noch schöner?«
Wie konnte sie dem nicht beipflichten?
Dass sie Jora’hs Kind trug, erstaunte Nira und machte sie überglücklich. Sie sehnte sich danach, mit ihm darüber zu sprechen, aber er war sehr beschäftigt. Seit dem Angriff der Hydroger auf die Ekti-Stadt von Qronha 3 und dem Ultimatum des Gesandten sorgte der Weise Imperator dafür, dass der erstgeborene Sohn immer in seiner Nähe blieb.
Die Umstände zwangen nicht nur den Erstdesignierten, sich der aktuellen Situation zu widmen. Die Bedrohung durch die Hydroger erforderte auch die Aufmerksamkeit der anderen Designierten sowie der Solaren Marine unter dem Kommando von Adar Kori’nh.
Nira wusste, dass dies nicht die geeignete Zeit war, um sich zu lieben. Sie tröstete sich mit dem Wissen um ihr Geheimnis und sah mit Freude dem Tag entgegen, an dem sie es Jora’h offenbaren konnte. Wenn seine Pflichten als Erbe des Ildiranischen Reiches nicht mehr zu schwer auf ihm lasteten, würde sie ihm sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Bestimmt hielt auch er es für ein Wunder.
Es widerstrebte Nira, die strenge Otema einzuweihen, und deshalb hielt sie die Information zurück und konzentrierte sich darauf, den Bäumen aus der Saga vorzulesen. Dabei fragte sie sich, ob sie selbst einen Platz in dem kolossalen Epos einnehmen würde, weil sie das erste ildiranisch-menschliche Kind in sich trug. Ein solcher Hybride hatte enormes Potenzial und mochte eines Tages große Taten vollbringen.
Nira begriff, dass sie Otema bald von ihrer Schwangerschaft erzählen musste, wenn sie nicht bereits durch den Weltwald davon erfahren hatte. Es gab niemanden, mit dem die junge grüne Priesterin über ihre Liebe reden konnte, und deshalb erzählte sie den jungen Weltbäumen davon, fand geduldige Zuhörer in ihnen.
Der immer neugierige Weltwald nahm die Informationen mit wohlwollendem Interesse auf.
105 WEISER IMPERATOR
Nachdem der sehr besorgte Vorsitzende Wenzeslas aufgebrochen war, um zur Erde zurückzukehren, wurde es Zeit für den Weisen Imperator, seine eigenen Pläne in die Tat umzusetzen. Letztendlich spielte es keine Rolle, wie viele Personen leiden mussten, denn die Zukunft des Reichs stand auf dem Spiel. Es dürfte keine Verzögerungen mehr geben.
Als Fokus eines ganzen Volkes hatte der Weise Imperator keine Skrupel, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, wie hart und unangenehm sie auch sein mochten. Auch sein Sohn Jora’h würde schließlich verstehen, nachdem er selbst zum Weisen Imperator geworden war. Dem Erstdesignierten blieb keine Wahl und er ahnte nichts.
Auf dem Dach des Prismapalastes, im hellen Sonnenschein, standen Jora’h und das ihm zugewiesene Gefolge, gekleidet in eine Kombination aus traditionellen ildiranischen Streifen und langen Schalen aus theronischen Kokonfasern.
Der Weise Imperator hatte Bedienstetengruppen angewiesen, seinen Chrysalissessel zur Landeplattform des Daches zu tragen, damit er sich dort von seinem ältesten Sohn verabschieden konnte. Wenn Jora’h fort war, konnte der Imperator damit beginnen, die unangenehmeren Befehle zu erteilen.
»Ich hoffe, du kannst bei deiner diplomatischen Reise viel lernen, mein Sohn«, sagte er und lächelte glückselig. Der Erstdesignierte wirkte völlig ruhig und gelassen; es war leicht, ihn zu manipulieren.
Jora’hs dünne goldene Zöpfe bildeten eine Wolke um seinen Kopf, als er nickte. »Ich kann es gar nicht erwarten, Theroc mit eigenen Augen zu sehen, Vater. Und ich freue mich auf das Wiedersehen mit Prinz Reynald. Ich weiß, er ist ein Freund unseres Reiches.«
Der Weise
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