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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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die Demonstranten in Streifen gerissen und zu Verbänden umfunktioniert.
    Zwischen den Menschen vor der Bühne sind auch schwarze Uniformen zu erkennen. Polizisten, die von ihren Kollegen getrennt wurden. Im Alleingang verteidigen sie die Demonstranten und sich selbst mit ihren Schlagstöcken, Tasern und Pistolen gegen die entfesselten Amps.
    Und dann entdecke ich Lyle.
    Nur ganz flüchtig sehe ich den Cowboy auf der Bühne stehen. Mit in die Hüften gestemmten Fäusten lässt er zufrieden den Blick über das Getümmel schweifen. Auch über mich geht sein Blick hinweg, doch er sieht mich nicht. Die Adern in seinem Hals treten hervor, als er sich umdreht und jemandem, der weiter hinten steht, etwas zuruft.
    Dann springt Lyle vom hinteren Teil der Bühne herunter.
    Ich werfe mich ins Gedränge und lasse mich von meinem Zenith durch die Menge leiten. Immer wieder prallen die Körper der Kämpfenden gegen mich, doch ich rolle mich von ihnen ab und ducke mich unter ihren Fäusten hindurch. Ich umgehe die kleine Front von Normalos und springe hastig die Treppe zur Bühne hinauf.
    Ich recke den Kopf und erkenne Lyle, der durch eine schmale Gasse rennt, die von der Kreuzung wegführt.
    Rasch springe ich von der Bühne und nehme die Verfolgung auf. Flache die Hände ab und lasse die Knie auf und ab pumpen wie die Kolben eines Motors. Hinter mir hallen mehrere Schüsse über die Kreuzung. Meine Lunge brennt wie Feuer, trotzdem beschleunige ich das Tempo. Der Cowboy ist so verdammt schnell und so viel steht auf dem Spiel, dass ich wie von selbst tiefer in mein Inneres vordringe.
    Level drei bringt es einfach nicht mehr.
    Level vier. Tragbare Waffensysteme. Handfeuerwaffen. Infanterie-Unterstützung. Unterstützung bei tödlicher natürlicher Bedrohung durch Feuer. Durchbrechen von Hindernissen. Sind Sie einverstanden? Sind Sie einverstanden?
    Ja.
    Ich konzentriere mich vollkommen auf das Geräusch von Lyles Schritten und schalte meine visuelle Wahrnehmung praktisch aus. Sofort schränkt sich mein Sichtfeld ein, obwohl ansonsten sämtliche Nervenfasern meines Körpers vor Leben bersten. Meine Bewegungen werden noch flüssiger und geschmeidiger. Rasch und geräuschlos gleite ich über den Asphalt wie ein Tsunami über das offene Meer.
    Als ich Lyle endlich einhole, kann ich nur gerade so anhalten.
    Der Cowboy lehnt in einer Sackgasse an einer schwarzen Limousine mit geöffneter Tür und redet mit einem Typen im Anzug. Lyle zuckt erschrocken zusammen, als er mich entdeckt, und in dem Moment erkenne ich, mit wem er da plaudert.
    Mit Senator Joseph Vaughn. Der Vorsitzende des Pure Human Citizen’s Council ist größer, als er aus der Ferne wirkt – ein Athlet. Unter seinem teuren Anzug zeichnen sich deutlich seine Muskeln ab. Ziemlich zerzaust, doch in entspannter Haltung steht der Politiker neben dem Wagen. Er hat seinen Anzug durchgeschwitzt und seinen Schlips gelockert. Seine Wangen sind gerötet.
    »Nein, Lyle«, sage ich. »Nein.«
    Der lachende Cowboy grinst mich an und zuckt mit seinen tätowierten Schultern.
    Lyle steht hier in dieser Seitenstraße und plaudert mit Vaughn, als wären sie beide alte Freunde. Eigentlich sollten sie erbitterte Feinde sein, doch sie sind es nicht, und was das bedeutet, lässt mir beinah die Beine wegsacken. Wer bezahlt für das alles?
    Der Boss natürlich, Mann, wer denn sonst?
    »Du arbeitest für Pure Pride?«, frage ich Lyle ungläubig. »Du hast das alles für
die
gemacht?«
    Lyle löst sich mit einem Seufzer vom Wagen.
    »Ist Brain noch am Leben?«, will er wissen.
    Ich nicke.
    »Danke«, erwidert er und dreht sich dann um. Seine Augen sind dunkel geworden und haben einen stumpfen Ausdruck angenommen. Mein Körper springt schon zur Seite, bevor ich überhaupt die Absicht dazu habe. Lyles blitzartig ausgeführte Schlagfolge geht ins Leere. Mit knirschenden Stiefeln fängt er sich nach seinem Ausfallschritt wieder. Erneut wendet er sich mir zu. Seine Augen sind halb geschlossen.
    Jetzt stehe ich genau zwischen ihm und dem Senator.
    Lyle lächelt mich mit leerem Blick an. Er hat sich vollkommen dem Implantat überlassen. Ist ganz tief abgetaucht und hat komplett auf Autopilot umgeschaltet.
    »Voll drauf, Gray. Level fünf. Da sieht man die Welt plötzlich ganz anders.«
    Lyle stürzt sich auf mich wie ein Raubtier. Wie etwas, das unsere Vorfahren im Schein eines Lagerfeuers an Höhlenwände gemalt haben. Mein Körper versucht, sich zu bewegen, versucht, mir das Leben zu retten, doch Vaughn

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