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Opfer aus der Trance und Carlo Schmids Genossen aus dem Schlafe schreien müssen; seine Losung in der Fliegerkaserne wäre gewesen: Kampf dem Atomtod!, und die alten Germanen hätte er fragen müssen, was sie jüngst mit jungen Semiten getan. Hätte er dieses oder ähnliches nicht unternommen, er hätte seinen Stecken nehmen dürfen.
Der Reporter jedoch – Sie werden mir diese kleine markierende Einhilfe genehmigen –, der hätte, wäre er auf solchesverfallen, leider seinen Beruf verfehlt. Er hätte ihn übrigens auch verfehlt, wenn er nicht ständig versucht wäre, aus der Rolle zu fallen und Widerspruch zu sagen gegen Unvernunft und Gedankenwirrwarr und Schreckenstat; es läge dann, wäre er in solchem Falle nicht zum parteilichen Wort versucht, eine Bewußtseinsstumpfe in ihm vor, und da sollte man ihm den Stecken geben, weil Bewußtseinsschärfe erforderlich ist in diesem Beruf.
Aber das war nur ein markierendes Übrigens. Ich komme auf die Verhaltenspflicht des Reporters zurück, wenn Sie diesen Fingerzeig erlauben; sie läßt sich fassen in den überraschend schlichten Satz: Und halten sollst du dich so, daß du deine Arbeit tun kannst, umsichtig, eindringend und unbeirrt auf die Wahrheit hin. Das aber heißt – ich hoffe, ich habe die Konzession zu dieser Erläuterung –, es heißt für den Fall, ein Reporter hat sich unter Rommels Wüstenfüchse oder auch unter fromme Pilger gebracht, Ohren auftun, Augen auftun und den Mund nur zu listigem Fragen, es heißt: sammeln, häufen, scharren, fassen, erraffen und speichern: Worte, Töne, Laute, Gebärden, Gesten, Haltungen, Gesichter, Augen, Münder, Fußstellungen, Krawattenmuster, Automarken, Siegelringe, Syntax, Vokabular, Rauchgewohnheiten, Händedrücke, Haartrachten, Hutformen, es heißt Antwortsuche auf die Fragen: wer, wann, wo, wie und, wenn das zu haben ist, warum?
Und den Stecken für den Zeitungsmann, der das vergißt!
Vergißt er es aber nicht, sehr geehrter Herr, hat er getan, was seine Arbeit war, und begibt er sich nun nach diesem Teil getaner Arbeit an einen weiteren Teil von Arbeit, ans Sichten des Zurückgebrachten – Sie haben es sich womöglich gemerkt: reportieren, soviel wie zurückbringen –, dann sieht er sich vor Brauchbarem und Unbrauchbarem, beides bestimmt von diesem und jenem her – lassen wir das jetzt unerörtert, sonst verzweigt sich unser Fluß doch noch in ein unübersichtliches Delta, in dem Sie sich trotz der Markierungsbojen, die ich hier und da gesetzt zu haben glaube, verlieren müßten –, der Berichterstatter sieht sich vor die Wahlgestellt vielmal, und dies sind die Stunden seines lauten Zornes, weil sicher ist: Was er für Kleinodien hält, gilt anders als Tinnef; wo er Pretiosen sieht, sprechen die anderen von Talmi; da heißt es Abschied nehmen.
Nehmen wir folgenden Fall: Da hat ein Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau einen anderen Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau bei einer Gelegenheit fotografiert, die – soweit lassen sich Lebensgänge überschauen – wohl nimmer wiederkehrt: Der Mann, ein junger Mann, ein manchmal fast militanter Atheist, ein Parteimensch aufklärerischen Geistes, liegt, rutscht, wie das Bild beweist, auf den Knien unter einem kantigen Symbol christlicher Gesinnung über das Pflaster vor der Wallfahrtskirche von Altötting, und es ist ihm – soweit erstattet das Bild noch Bericht – nicht recht.
Die Aufnahme wird nicht veröffentlicht – ich will Sie mit einer Aufzählung der Gründe nicht verwirren –, die Aufnahme wird nicht veröffentlicht.
Ist sie deshalb ein Nichts geworden, ein Unbild gar, das zu vernichten wäre?
Nicht für mich, Herr! Für mich ist sie ein Teil meiner Arbeit, ein heiterer Teil meines Lebens, ein Beleg zu meinem Glauben, daß nichts unmöglich sei, sie ist ein Stück von mir und auch ein Stück von meinem Nebenmenschen, diesem jungen Manne hier, mit dem zu arbeiten ich seit längerem das Vergnügen habe. Wir beide, Sie, mein Herr, und ich, wir beide werden, fürchte ich, aneinander nicht das geringste Vergnügen haben, es sei denn, Sie gingen hin und täten das eine, das einzige, womit Sie mir wirklich imponieren könnten: Sie setzten sich hin und lernten ein wenig hinaus über den griechischen Hundeschwanz und täten am Ende gar gescheite Arbeit. Das wäre gut für Sie, das wäre gut für die Rundschau, gut für uns alle, und gut wäre auch, Sie behielten eines im Auge: Ihr Start hier, Herr, der war wirklich hundsmiserabel!«
Das war Fedor
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