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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Nordseedeich auf die Glocke des Reichsnährstands, einen monströsen Klangkörper mit monströsen Hakenkreuzen und monströsen Sprüchen, worüber sie später berichten werden, was dann zur Folge haben wird, daß trotzige Jungbauern, die in der Schule den ›Werwolf‹ von Hermann Löns gelesen haben, über Nacht die Glocke vergraben für spätere nationale Tage; die beiden Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau gelangen dann in die Stadt Hamburg und wohnen dort einer Versammlung der Deutschen Reichspartei bei, wo ihnen Antwort wird auf die Rednerfrage: ›Was wünscht sich der Germane?‹; sie besichtigen eine Fliegerkaserne am selben Orte und werden für journalistische Wehrhelfer gehalten, wasder Offenheit des Gesprächs durchaus förderlich ist und damit auch den Einsichten in das, was mit einem Schönwort Innere Führung heißt; sie – die Reporter, wie Sie sicherlich immer noch verstehen werden – erwerben zwei Sitzplätze im Evangelisationszirkus von Billy Graham, das ist schon im Ruhrgebiet, und werden Zeugen erstaunlicher Rhetorkunst und einer traurig erstaunlichen Lenkbarkeit von Leuten, die im Zentrum modernster Industrie zu Hause sind; die beiden Mitarbeiter lassen sich dann zu Köln am Rhein von einem freundlichen Bibliothekar der Ford-Werke mitteilen, warum der Herr Ford soviel Geld für freundliche Bücher ausgibt: weil sie, das sagte der Mann, den unfreundlichen Klassenkampf vergessen machen; und schon sind die beiden Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau in Wiesbaden und erschleichen sich dort – den Ausdruck erfordert die Wahrhaftigkeit – Zutritt zum Kulturkongreß der SPD und müssen die Ohren offenhalten auch bei Carlo Schmid; dann mengen sie sich in Frankfurt unter die Traditionalisten vom Afrika-Korps und in München unter neofuturistische Maler, rasten in Garmisch auf der Partnach-Alm, wo einem von beiden ein optischer Fehler unterläuft, der ihm noch Kummer bereiten soll; und zum Ende ihrer Reise finden sich die beiden Mitarbeiter im oberbayrischen Altötting, sie sehen sich das Tilly-Grab an, und der eine hält dem anderen einen gewieften Vortrag über die Schlacht bei Breitenfeld, wo, wie der andere seither weiß, der alte Tilly einer neuen Gefechtstaktik des Königs Gustav Adolf von Schweden zum Opfer gefallen ist, aber, Taktik hin, Strategie her, die beiden, von denen die Rede ist, und Sie werden sicher noch wissen, von wem hier die Rede ist, die beiden Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau, vorsichtshalber sei diese genauere Markierung doch eingefügt, besinnen sich: Sie sind nicht der Militärhistorie wegen hier, eher ist es Zeitgeschichte, die von ihnen einen Beitrag will, sie sind am Platze der Arbeit wegen, ich versah das Wort wohl bereits mit einem Markierungsfähnchen, sie sollen berichten, was anders ist zwischen Eider und Inn, sollen reportieren, etwas zurückbringen über Alt und Neudortzulande, und deshalb müssen sie sammeln auch in Altötting, Altötting hat mehr zu bieten als Johann Tillys Grab. An diesem Tag, am Ende einer langen Arbeitsreise hat Altötting eine Prozession zu bieten, und nun kann sich der andere Mitarbeiter ein wenig revanchieren bei dem einen für dessen Vortrag über die Taktik des Schwedenkönigs, kann nun seinerseits, weil er sich zufällig auskennt mit den Bräuchen der katholischen Kirche und hier ausnahmsweise von dieser Kenntnis Äußerung tun darf, da es der Arbeit zugute kommt, kann nun seinerseits den langen historischen Weg der Prozessionen mit einigen Markierungen versehen und deutlich machen: Die beiden, die Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau, täten im Sinne ihres Auftrags gut daran, dem frommen Umgang genauestens zuzusehen und zuzuhören. Den Rest, will ich zu hoffen wagen, erinnern Sie noch, und zu sagen wäre nur: Wir hätten den Stecken nehmen dürfen, wären wir hier unserer Pflicht nicht gefolgt.
    Und zu sagen wäre noch: Einen Reporter und einen Agitator unterscheidet dieses und jenes. Wenn ich da einige Andeutungen machen darf: Ein Agitator – ich spreche jetzt nur von diesem, den Konterpart werden Sie sich selber zurechtlegen können, will ich vermuten – hätte weder dem Kohlbauern noch dem Ford-Bibliothekar schweigend zuhören dürfen; seine Arbeit wäre es gewesen, Aufschlüsse zu liefern über den Charakter der europäischen Marktwirtschaft und über das Ethos der Literatur; er hätte feurio! rufen müssen beim Anblick der Hakenkreuzglocke und der sehr lebendigen Reste des Afrika-Korps; er hätte Billy Grahams

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