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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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es«, sagte David, »darin sind wir stark. Erfolge, Niederlagen, Erscheinungen, Ideen, wir diskutieren alles, sonst stumpfen einem die Zukunftsfühler ab. Nein, nein, meine Erniedrigung ist diskutiert worden, das ist rausdiskutiert worden, raus aus der Zeitung und ran an die Wand. An dieser Wand, mußt du wissen, hängen fast nur Sachen, die rausdiskutiert worden sind. Man könnte diese Bilder hier als festgehaltene Erscheinungen definieren, die einen auf falsche Ideen bringen könnten.«
    »Dann werden wir diese Wand gleich mal ausdiskutieren«, sagte der neue Chef, »da scheint ja eine merkwürdige Konzeption ausgebreitet zu sein an dieser Wand, aber du wolltest gerade entwickeln, wie du unter das Kreuz gekommen bist, wie man in doppelter Hinsicht sagen könnte. Du hattest bisher entwickelt, wie du auf die Knie gezwungen wurdest, und wo trat nun das Kreuz in Erscheinung?«
    Gabelbach hatte sich gerührt, als die Rede von der Konzeption seiner Wand gewesen war, aber jetzt saß er wieder still da, und David wußte: Er genoß den Spaß.
    David sagte: »Das Kreuz trat an der nächsten Ecke in Erscheinung. Aber da man In-Erscheinung-Treten in doppelter Hinsicht definieren könnte, einmal als einen Begriff aus der Ideenwelt und einmal als einen aus dem optischen Bereich, muß ich sagen, beides trifft nicht recht. Für Ideen hatte ich den Kopf nicht frei, weil mir die Knie weh taten, ich hab ziemlich spitze Knie, weißt du, die sind nichts fürs Wallfahren, undmeine Optik, Gott: Da war vor allem ein grüner Lodenrücken vor mir, und die Knie können einem so weh tun, daß es auf die Augen schlägt! Und dann hievte mir einer das Kreuz auf die Schulter. Die müssen die aus einem Fenster gereicht haben; ich weiß gar nicht, wo die sonst hergekommen sein sollen. Der Lodenrücken hatte auch eins, und seins bumste immer gegen meins, und so ging es rum um die Wallfahrtskirche von Altötting in Oberbayern. Ich sag dir: Religion ist auch nicht einfach.«
    Den Chefredakteur Bleck hatte dieser Bericht sichtlich mitgenommen; er sagte, ohne alle Schärfe, fast resignierend vor dem so vorgefundenen Menschen David Groth: »Und das ist ausdiskutiert worden?«
    »Ja, richtig aus.«
    »Und das Bild da, das ist auch ausdiskutiert worden?«
    »Ja, aus und raus.«
    »Nun gut, das sind gewesene Sachverhalte«, sagte der neue Mann, »ich denke, es sind die richtigen Schlußfolgerungen daraus entwickelt worden, nur: Ist auch geklärt worden, wie es zu der Erscheinung des Bildes gekommen ist? Es muß doch in deiner unmittelbaren Nähe angefertigt worden sein, und die Frage ist: Mit welcher Absicht, auf der Grundlage welcher Idee? Ist das geklärt worden?«
    »Da war nichts zu klären. Das Bild hat der Kollege Gabelbach gemacht, oder angefertigt. Das war eine Leistung, weißt du; der Kollege Gabelbach hatte zwar kein Kreuz zu schleppen, aber bei dem Gekrieche so ein Bild zu schießen, das war eine Leistung, finde ich.«
    »Ich glaube zu verstehen«, sagte Bleck, und sein Ton gewann deutlich an Schärfe. »Sie waren mit! Darf ich erfahren, wie Sie so ein Bild anfertigen konnten?«
    Endlich war Gabelbach von der Leine los. »Ich konnte so ein Bild anfertigen, Herr Kollege, weil ich das gelernt habe«, sagte er voll Galle, »Sie mögen es noch nicht bemerkt haben, denn es ist in diesem Hause alles ein wenig unübersichtlich, aber ich bin Fotograf, wenn Sie verstehen, was ich meine.Sollten Sie aber glauben, es nicht zu verstehen, so fragen Sie nur. Es ist Usus im Hause.«
    Bleck nahm ihn fast freudig an. »Da Sie von Usus reden: Wie paßt eine Bildersammlung wie diese in den Usus eines fortschrittlichen Publikationsorganes? Wenn es im Lateinischen heißt: Usus est tyrannus, so scheint es mir hier dahingehend übersetzbar zu sein, daß die schlechte Gewohnheit, in Ihrem Falle die Gewohnheit, schädliche Bilder zu sammeln, zu schlimmen Folgen führt, im Falle dieser Wand zu einer schädlichen Konzeption!«
    »Konzeption«, sprach Gabelbach, auch er erfreut, »da wären Sie ja nun durch alle Wirrnis hindurch bei diesem nützlichen Begriff, da wollen Sie bitte so freundlich sein, mir die Konzeption dieser meiner Sammlung darzulegen, da hätte ich gar zu gerne Aufschluß.«
    »Den bekommen Sie«, erwiderte der Chefredakteur, »den bekommen Sie in aller Offenheit: Ich halte Ihre Sammlung für eine Erscheinung, der eine zynische Idee zugrunde liegt. Wenn es der Anstand verlangte, die im Verlaufe der Entwicklung aufgetretenen Fehler als unvermeidliche Folge

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