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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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des Tatbestandes zu behandeln, daß die zu leistenden Arbeiten nur mit den in einem bestimmten Zustand vorgefundenen Menschen in Angriff genommen werden konnten, die Fehler also als Erscheinungen eines Übergangsstadiums aufzufassen und zu definieren wären, unternehmen Sie es, diese Fehler in einen Zusammenhang zu bringen, diesen zur Schau zu stellen und damit zu Schlußfolgerungen aufzufordern, welche in unvermeidlichem Gegensatz zum Entwicklungsgedanken stehen. Eine solche Konzeption nenne ich eine zynische, und die ihr zugrunde liegende Philosophie nenne ich eine Hundephilosophie, abgeleitet von griechisch Kyniker, der Hündische, oder von Kynosura, der Hundeschwanz. An dieser Wand ist sozusagen der Hundeschwanz unserer Entwicklung zur Erscheinung gebracht worden, aber, so stelle ich die Frage: Wo ist der Hund?«
    Da David ahnte, daß Gabelbach bereit sei, einige den Hund betreffende unfeine Vorschläge zu machen, und da er fürchtenmußte, dies alles werde mit einer Explosion enden, sagte er rasch: »Genosse Bleck, Kollege Gabelbach, darf ich einmal? Ich habe das Gefühl, es wird jetzt zu speziell, Hundeschwanz auf griechisch, da kann ich nicht mit. Das ist ein bißchen sehr zugespitzt, finde ich. Ich glaube, dieser Meinungsaustausch hat nicht die richtige Zielsetzung. Was ist unsere Aufgabe, Ihre, Kollege Gabelbach, deine, Genosse Bleck, meine? Was ist unsere gemeinsame Aufgabe? Kurz gefaßt: die Neue Berliner Rundschau. Was aber diskutieren wir? Die fast privaten Beiprodukte der Neuen Berliner Rundschau, die manchmal humoristischen, manchmal auch nicht so humoristischen Abfälle. Wir haben eine Großdreherei in Betrieb zu halten und diskutieren die Späne. Weißt du, Genosse Bleck, wir haben hier jetzt die siebzehnte Brechung einer Nebenerscheinung am Wickel und verlieren die Idee aus dem Auge. Wissen Sie, Kollege Gabelbach, ich kenne Leute, denen haben Sie mit diesen und jenen kleinen und großen Hinweisen aus mancher Wirrnis geholfen, und das ist dann der Zeitung zugute gekommen. Ich weiß gar nicht, warum wir davon abkommen sollten. Für die Rundschau wäre es jedenfalls nicht so gut.«
    »Selbstverständlich bin ich bereit, die Auseinandersetzung auf prinzipieller Basis zu führen«, sagte Herbert Bleck, »das ist ein Erfordernis, um die Idee nicht auf den Hundeschwanz geraten zu lassen. Stellen wir also nicht die Frage, warum dieses Wallfahrtsfoto hier an der Wand hängt, stellen wir die Frage, warum es überhaupt angefertigt wurde. Mit einer solchen Fragestellung wird eine prinzipielle Klärung möglich, und die scheint mir erforderlich.«
    »Erforderlich scheint sie mir auch«, antwortete Gabelbach, »ob sie möglich ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich versuche es: Der junge Mann hier, Assistent für viele Gelegenheiten, ist seit einigen Jahren bei dieser Zeitung; ich bin seit einigen Jahren bei dieser Zeitung. In diesem Haus entwickeln sich keine gelehrten Köpfe, aber ein Quantum Geschicklichkeit ist auf die Dauer unvermeidbar, und dieser oder jener Einsicht kann man sich nur auf Zeit versperren.Um aber nicht in unübersichtliche Gewässer zu geraten, wollen wir bei dem Fall bleiben, dessen nochmalige Klärung Ihnen so dringlich scheint. Es handelte sich um etwas, woran keine Zeitung auf immer vorbeikommt, um eine Reportage. Reportieren, Sie werden es wissen, erlaube ich mir zu denken, reportieren wird allgemein als berichten begriffen, zunächst aber heißt es nichts weiter als: zurückbringen. Ein Reporter muß, bevor er berichten kann, etwas zurückbringen: Eindrücke, Erfahrungen, Ansichten, Einsichten, Wahrnehmungen sinnlicher Natur, Bestimmungen gedanklicher Natur. Er ist ein Sammler, bevor er ein Ordner sein kann.
    Zum Elementaren mag das genügen. Jetzt eine gegebene Situation: Zwei Mitarbeiter der Neuen Berliner Rundschau gehen auf eine Reise, dienstlich, Sie werden das verstehen, mit Passierpapieren versehen, mit dem nötigen Gelde und mit einem Auftrag. Dieser lautet: Macht einen Bericht über den anderen deutschen Staat, zeigt, was dort anders ist als hier, anders, weil ganz neu, oder anders, weil uralt; zeigt die Unterschiede! Die beiden Mitarbeiter gehen an die Arbeit – neben das Wort Arbeit möchte ich eine Markierungsboje setzen –, sie beginnen im Norden des westlichen Landes, reden, ich will es Ihnen ein wenig anschaulich machen, mit Marschbauern über Kohlpreise und erfahren so etwas über die Praxis der europäischen Marktwirtschaft; sie stoßen vor einer Jugendherberge hinterm

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