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Kaffee zu trinken; er hatte Carola Krells warnende Nacherzählung nichtvergessen, aber das Ergebnis war immer das gleiche: Erich winkte ab und sank auf seinem Bock zum Schlummer zusammen.
Jochen Güldenstern nahm die Blumen und sagte: »Du brauchst schon nicht weiterzureden; ich habe es verstanden, und ich habe es auch vorher selber gewußt.«
»Ich rede aber weiter«, sagte David, »du kannst mich nicht erst zur Leitungstätigkeit provozieren, und dann darf ich nicht. – Hast du von Che Guevara gehört?«
»Hab ich von Napoleon gehört oder von Gagarin?«
»Entschuldige, ich wußte nur nicht, weil du doch bei der Zeitung bist … Ich bin sicher, der ist ein großartiger Mann, ein Revolutionär durch und durch, Spartakus, John Ball, was du willst. Er hat Fidel seinen Ministerposten zurückgegeben, und es ist ziemlich sicher, daß er in Südamerika ist, für die Revolution natürlich. Ich habe mit zwei bolivianischen Genossen gesprochen; die sind nicht die ganze Partei, aber was sie sagen, leuchtet mir ein: Wäre jetzt die Lage für eine Revolution, dann gäbe es sie auch. Dann wäre jeder erfahrene Mann willkommen, aber ohne die Lage muß alle Klugheit, alle Erfahrung und alle Begeisterung verdampfen. Was zur Zeit getan werden kann, kann die Partei auch ohne Che, aber in Kuba fehlt er indessen. Sie meinten, die Befreiung Lateinamerikas käme in dem Maße näher, in dem Kuba über den Akt seiner Befreiung hinaus vorwärtskomme. Der Umsturz sei die erste Antwort auf die Fragen des Kontinents gewesen, und Ruhm und Ehre denen, die die Antwort gaben, aber weiter geht es nur über einen Weg von tausend weiteren Fragen. Kann man leben ohne die Latifundistas und ohne die Americanos, gegen sie, sind nur zwei davon, kann man besser leben, wäre die dritte – und so fort. Die Überzeugung der Überzeugten, daß man kann, ist das eine – die Beweise aber, ohne die man in dieser Welt nicht mehr auskommt, sind das andere.
Sie haben mir viel erzählt, die beiden Genossen, auch über Kuba, grandiose Geschichten und schreckliche; sie waren voller Sympathie für Guevara, aber sie billigten nicht, daß erfortgegangen ist. Sie sagten: Revolutionär sein, das heißt auch: den Platz suchen, finden und behaupten, von dem aus man ein Maximum an Änderung durchsetzen kann.«
»Ist schon gut, David«, sagte Jochen Güldenstern, »deine Fabel ist zwar einige Nummern zu groß ausgefallen, aber deine bolivianische Formel für das, was ein Revolutionär ist, die ist nicht so schlecht, zumal sie auch aus Leuna stammen könnte oder aus Berlin, Marx-Engels-Platz.«
»Oder von der Baustelle am Greifswalder Bodden«, sagte David.
»Oder von da«, sagte Güldenstern, »aber weißt du: Ich kann den Che Guevara sehr gut begreifen.«
»Meinst du, ich nicht?« fragte David, und er dachte: Meinst du etwa, ich nicht, Mensch? Meinst du, ich jauchze immerfort: Erfüllung!, wenn ich an mein Tagwerk denke? Jetzt wohl gar, wo ich als besserer Herr verkleidet über einen Friedhof schreite – ein Chef, der einem verdienten Mitarbeiter etwas Gedämpftes nachrufen muß? An einem Tag wie diesem womöglich noch, an dem ich nichts weiter tue, als die Gewohnheiten in Gang zu halten? Meinst du, ich bin begeistert von mir, wenn ich mir melden kann: Nun ja, es läuft, keine besonderen Vorkommnisse, auf Posten nichts Neues? Das soll Glück sein, mein Glück: Die Maschine arbeitet, das Fließband fließt, keine Stockungen und keine Katastrophen?
Ich bin’s zufrieden, wenn es so geht, denn es ging nicht immer so, und kein Höhenflug ohne Ordnung am Boden, aber Glück ist wohl anders.
Sehr fragwürdig, Meister Groth, sehr fragwürdig, deine Ansicht! Du kommst dir da selbst ins Gehege. Wohin siedelst du dann deinen Glücksbegriff?
Du hast an diesem Apparat gebaut, damit er funktioniere. Jetzt funktioniert er – hinreichend. Du warst auf die Übereinstimmung zwischen Erfordernis und Anstrengung aus – die Lücke zwischen beiden ist schon kleiner geworden. Die Route deines Lebens stimmt: Mensch, juble!
Nun ja, jubeln – das wäre affig; aber nörgeln, weil zu denPflichten, in die man sich selbst gebracht hat, auch die Wiederholung gehört, das ist wohl lächerlicher noch.
Ein bißchen Wehmut ist erlaubt. Wenn sie dir die Artikel über Vietnam bringen, darfst du dich ins Reporterkhaki zurückträumen. Wenn sie mit den Kranbauern aus Eberswalde auf die Reise nach Bangkok gehen, darfst du wünschen, du könntest mit ihnen tauschen. Über den Bildern vom
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