Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
können oder mit einem Schauspieler. Wieso erfindest du dir Sorgen mit Arbeiterklasse und Gegensatz? So blöde ist keiner, daß er nicht weiß, daß man überall ran muß, wenn es laufen soll, oder?«
    Jochen Güldenstern winkte wieder ab. »So einfach ist das nicht, Erich. Damals in Schwedt, das war klar, meine Ungeschicklichkeit, das hab ich mir gemerkt, das ist mir so schlimm nicht wieder passiert, aber daß ich kein Arbeiter mehr bin, merke ich immerfort.«
    Erich, der Fahrer, war erst seit einem guten Jahr bei der Rundschau. Vorher war er bei einem Institut für Pflanzenfette gewesen, und seinen Wechsel zur Zeitung hatte er bei Carola Krell so begründet: »Du kriegst einen Zettel: Morgen fünf Uhr dreißig da und da Boß Sowieso abholen. Halb sechse stehe ich vor der Türe. Dann steigt einer ein und sagt: ›Halle!‹Ich los nach Halle. Bis Michendorf studiert er sein Zentralorgan, den Rest pennt er. In Halle sage ich: ›Wie lange wird’s denn etwa dauern?‹ – ›Das weiß ich doch nicht‹, sagt er. Weg ist er. Wenn ich denke: Jetzt könntest du dir eine Tasse Kaffee holen, dann kommt er, garantiert. Wenn sie ihn nicht zu sehr geärgert haben, sagt er sogar noch, daß wir jetzt wieder nach Hause fahren. Auf jeden Fall pennt er wieder. Vor seiner Tür wird er volkstümlich und sagt: ›Wiedersehen!‹, das klingt zwar meist wie Wien, Wie’n, aber immerhin. – Nee, Kollegin Kader, da fahre ich doch lieber Persönlichkeiten!«
    David hatte sich bei den ersten Fahrten mit ihm bei dem Versuch ertappt, eine Persönlichkeit abzugeben, aber sie waren auch ohne Mühe gut zu Rande gekommen.
    Nun schüttelte Erich über seinem Lenkrad den Kopf und sagte: »Das ist mir zu hoch, Jochen. Vermißt du abends, daß dir die Knochen weh tun, oder fehlt dir der Kaltleim an den Fingern? Jetzt mache ich mal eine Probe, einverstanden? Geh doch wieder in die Möbelfabrik; überleg mal, möchste?«
    David lachte. »Kann er sofort haben, unter drei Bedingungen: Er muß einen Nachfolger stellen, der genausoviel von Ökonomie und Illustriertenarbeit versteht; er muß dem Staat die Auslagen für das Studium zurückzahlen, zwanzigtausend wären wohl reell; und er darf nie wieder eine Zeile schreiben, Öffentliches jedenfalls nicht.«
    »Ich könnte ja als schreibender Arbeiter gehen«, sagte Güldenstern.
    »Nee, nee, dann haben wir dich früher oder später wieder auf dem Hals! – Was taxierst du, was würden deine Kollegen sagen, die bei Plötz K. G. in Spremberg, wenn du da wieder ankämest: Freunde, ich wollte wieder einer der euren sein!?«
    »Der hat ’n Hammer, würden die sagen«, sagte Erich, »und glaube bloß nicht, die würden sich freuen. Die machen vielleicht jetzt ihre kleinen Witze über dich, wenn du sie besuchst, als ihr Studierter, aber richtig angenommen, du wirst wieder Holzarbeiter, dann hast du verspielt. Weil es nicht normal ist und, meine Vermutung: deine Kumpel würden zwei Sachendenken: Du hast es nicht geschafft, als Persönlichkeit, und das hebt dich nicht, als Persönlichkeit, und du hast es nicht geschafft als einer von ihnen. Das wäre eine Beleidigung für sie. – Meine Meinung: Als studierter Redakteur bist du mit ihnen zehnmal mehr verbunden, als wenn du ein Abgebrochener wärest, ein Wolltemalundkonntenicht. Meine Meinung.«
    »Das kann schon sein«, sagte Jochen Güldenstern, »nur geht es darum gar nicht. Niemand redet von zurück zu Plötz K. G. – Noch einmal Kraftwerk Nord, damit hat es angefangen. Einen Artikel über seine volkswirtschaftliche Bedeutung schreibe ich euch allemal. Über die Technologie des Aufbaus dort, neue Methoden, Hemmnisse, Rückschläge, Überwindung der Schwierigkeiten bringe ich meine Aufsätze zuwege, ein paar Gespräche mit den Baustäben, ein paar Anrufe, Zuhören bei Beratungen, Fachaufsätze lesen – da kommt zusammen, was ich brauche. Nur ist das alles doch fast noch die Theorie eines solchen Unternehmens, und die Praxis besteht aus tausend Teilen, winzigen manchmal nur, aber so wichtig. Gut, ich bin Journalist, ich soll das Werk nicht bauen, ich soll einen Eindruck davon vermitteln, und wenn es hoch kommt, kann ich einmal helfen, indem ich etwas öffentlich mache.
    Aber diese Art Journalismus, meine, führt zu einer spezifischen Ungerechtigkeit: Von irgendwann an beginne ich in Parametern zu denken, Großabschnitten der Strecke, von Plantermin zu Plantermin, ich lasse mich verführen, ich verführe mich selbst, die Grundbedingung von alledem zu vergessen

Weitere Kostenlose Bücher