Das Impressum
daß wir alle am Leben bleiben.
Mach deine Sache, wie sie ihre Sache machen. Mach deine Sache auf deinem Platz, der jetzt, jetzt wenigstens, im Chefzimmer der Neuen Berliner Rundschau ist. Da hast du deine bolivianischen Berge, dein Kuba, dein Kraftwerk Nord, da hast du Barrikade und Baikonur, Vietnams Savanne, Geschützturm der Aurora, Liebknechts Balkon am Preußenschloß, den Tisch vorm Haus der Ministerien, das Reißbrett für Halle-West, die Spitze des Studentenzuges, das Rednerpult im UNO-Plenum, die Partisanenschule in Angola und das Zyklotron von Dubna – da hast du deinen Kampfplatz, Büchsenmacher, da schreibe und leite, plane und lehre, träume und kämpfe du nur.
Ende der Unterweisung, Ende des Zuspruchs; geh an die Arbeit, Genosse Redakteur!
Soviel angestrengter Beredsamkeit kann der Büchsenmacher und Redakteur David Groth einfach nicht mit promptem Widerspruch begegnen, obwohl die Herausforderung zu Promptem hier fast unabweisbar ist: Arbeit! – der Fall ist exemplarisch!
Wäre nicht eben erst mühevolle Belehrung verklungen, müßte man diese Gelegenheit packen und schreien: Arbeit! –was ihr hier Arbeit nennt, verdient die Bezeichnung allenfalls, weil es innerhalb meiner bezahlten Arbeitszeit geschieht – ich darf erinnern: Ich werde hier gleich einen Grabsteinspruch loslassen; das ist meine Arbeit jetzt. Darf ich da um einen Blick auf die Definitionen bitten? Arbeit, allgemein und bürgerlich beschrieben: eine Kraftbetätigung zur Überwindung eines Hindernisses bei der Verfolgung eines Zwecks, oder: Bei der menschlichen Arbeit, die eine körperliche oder geistige Kraftbetätigung sein kann, wird ein die Arbeitszeit überdauerndes Ergebnis bezweckt, oder, in unseren Worten: Arbeit ist im weitesten Sinne die Verausgabung menschlicher Arbeitskraft als zweckmäßige, bewußte Tätigkeit des Menschen, in der er mit Hilfe von Arbeitsmitteln Naturstoffe verändert und sie seinen Zwecken nutzbar macht. Nur die Umstände hier hindern mich, laut und gehässig Haha! zu schreien; die Umweltbedingungen, Friedhofsruhe, Grabesstille, Totenacker, Gräberfeld; auf jedem zweiten Stein steht hier geschrieben: Ruhe sanft! oder: Ruhe in Frieden! – da muß ich unterdrücken, was eigentlich zu sagen wäre, und nur leise schnauf ich: Arbeit, ha!
Und so gingen David Groth und Jochen Güldenstern fast wortlos über die sandigen Wege zu des Genossen Schäfers neuem Stein, und nur dort, wo ein Dichter aus Friedrichshagen begraben liegt, standen sie einen Augenblick, und David sagte: »Den hab ich ganz gut gekannt und sehr gemocht. Du brauchst Mühe, wenn du liest, was er geschrieben hat, aber wenn du es verstanden hast, magst du die Welt mehr als vorher. Ein Christenmensch und ein großer Geschichtenerzähler, und so ein lustiger. Ein Jammer.«
Viel länger war Davids Spruch für den Genossen Schäfers auch nicht, aber die Witwe drückte ihm die Hand und nickte, und der Sohn sagte: Danke!, und Jochen Güldenstern sagte: Siehste!, und eine Nachbarin der Familie Schäfers starrte nach Davids Worten mit neuem Respekt auf den neuen Grabstein des hingeewigten Rundschau-Pförtners, und David dachte: Ein die Arbeitszeit überdauerndes Ergebnis?, und er schüttelte den Kopf, aber als er auf dem Rückwegwieder am Dichtergrab vorbeikam und als er merkte, daß es ihn wieder ins nörgelnde Selbstmitleid drängte, da ließ er den Anrainer des Genossen Schäfers brummen: Menschenskind, du plemperst was mit deiner schönen Zeit – möchtest du vielleicht tauschen?
Das mochte David aber nicht, und er beendete die Grübelphase und den Jammer auf die Weise, die er Fedor Gabelbach in den vielen Jahren abgesehen hatte: Er stieg mit Güldenstern zu Erich in den Wagen und besprach das Projekt Kraftwerk Nord, und sie einigten sich, daß hier der kleine Taubert mal zeigen konnte, ob noch mehr in ihm steckte als die vielsilbigen Flausen aus der Leipziger Journalisten-Fakultät, und die andere Neue, die Rita Heise mit dem lustigen Hintern, die sollte sich vorbereiten fürs Erdgas-Projekt, und Jochen Güldenstern, das war dann abgemacht, der fuhr zur RGW-Tagung nach Rumänien; das war noch nichts für junge Springer.
Zielsetzung, Zeitraum, Umfang, Dokumentationsaufwand, Geldmittel, technische Mittel, politische Besonderheiten, Kaderbedingungen, Platz im Gesamtprogramm – sie hatten den Katalog im Kopf, geübt gingen sie seine Rubriken durch; sachlich waren sie jetzt und schnell, fast mühelos, so schien es, machten sie einen ersten
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