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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Wissens nach, öffnete seine Speicher und teilte von seinen Vorräten aus wie damals vor einer Ewigkeit, als er seinen Onkel Hermann, den Feldwebel Groth aus Ratzeburg, mit der Enthüllung in entrüstetes Staunen getrieben hatte, daß Groß-Preußens genialster Militärstratege nicht nur dänischer Offizier, sondern auch Kriegsgehilfe eines türkischen Sultans gewesen war; wie damals, als sich Klein-David im Kampfe gegen den Lehrermenschen Kasten durch Sonderwissen in der Abteilung »Unsere großen Deutschen«, Unterabteilung »Die Feldherrn«, mit einem Extra an Autorität versehen hatte; wie damals beim Meister Treder, als er den Verkauf eines Chassepot-Modells 66 mit der Mär zu verbinden gewußt, aus diesem Gewehr sei vor Paris ein ernstgemeinter Schuß auf den Grafen von Moltke gefeuert worden, was dem Meister wieder Anlaß gegeben hatte, im weiteren Verlauf der Geschäftsverhandlung nur noch von der »berühmten Mordwaffe« zu sprechen; wie damals endlich referierte der NBR-Assistent Groth dem Sowjetmajor Spiridonow die »Kriegslehren« des Feldmarschalls von Moltke, wie damals, als David noch Waffenpfleger beim Fliegergeneral Klütz war und besondere Gäste mit Zitaten aus dem Stabswerk über den italienischen Feldzug achtzehnneunundfünfzig verblüffen durfte.
    Johanna Müntzer hörte den Auslassungen ihres Zöglings mit Ingrimm zu; man sah, sie war empört über sovielMißbrauch menschlicher Hirnkraft, und man sah, es war ihr recht, genau das parat gehabt zu haben, wonach ihr sowjetischer Freund auf der Suche gewesen war.
    Daß der zufrieden war, konnte man nicht übersehen, und man konnte auch nicht den begeisterten Ton überhören, mit dem er diesmal seinen fremdartigen Fluch hervorstieß; es war ein Ton wie zu »Allewetternochmal!« oder »Potztausendnocheins!«, aber die Worte, die er gebrauchte, das war nun kaum noch zu bezweifeln, die lauteten »Fritze Andermann!« und klangen wie Triumph.
    Er erhob sich und umarmte Johanna Müntzer so heftig wie einer, der vom Weibe los in einen langen Polwinter hinaus muß, und zu David sagte er: »Ich muß nun fort, und du wirst mein Gefährte sein!«
    David mußte gleich zweierlei bewältigen: Erstens den Schrecken, denn wer wußte, wohin so ein Mensch zu reisen gewohnt war, und zweitens die kitzelnde Beunruhigung, die von der Sprechweise des Herrn Spiridonow ausging; es war da etwas altfränkisch Literarisches in seinen Worten, eine Redensart nicht mehr so ganz von dieser Welt, ältere Schulgedichte hatten so etwas oder sehr alte Jahrgänge von Auerbachs Kinderkalender.
    Zum Glück zeigte es sich, daß Wassilij Wassiljewitsch diesen Ton nur wählte, wenn er sich sehr direkt und sehr persönlich auszulassen wünschte; allgemein gehaltene Äußerungen, berichtende, unterrichtende und erzählende, trug er in einem Deutsch vor, an dem nur ungewöhnlich war, daß es so geläufig von einem Landesfremden gesprochen wurde. Und, natürlich, daß an allen Stellen, an denen man einen saftigen Fluch erwarten durfte, die geheimnisvollen Worte »Fritze Andermann!« erklangen.
    Das heißt, das Geheimnis wurde verhältnismäßig früh gelüftet. Verhältnismäßig früh, also nicht gleich, nicht in den Minuten des jähen Aufbruchs, in denen David kaum Zeit blieb, eine Tasche zu packen, und gerade noch so viel, daß er unter Ausflüchten für Johannas Ohr zur Rotation hinüberlaufenkonnte zu schnellem und wirrem Bescheid für Carola; geklärt wurde das Rätsel auch noch nicht während der ersten zwei Stunden Fahrt aus Berlin hinaus in Richtung Nord-Nordwest; da hielt der Major zunächst einmal Gedankenaustausch mit seinem Fahrer, einem, wie David erfuhr, Baschkiren, der bis zum Ziel ein halbes Pfund Machorka und eine ganze Ausgabe der Prawda durch seine Lunge jagen sollte, und zwar der Erregung wegen, so deutete W. W. Spiridonow an, die dem Soldaten zu schaffen machte, weil er einen deutschen Schweinehund durch den Frühling chauffieren mußte. So ergab sich also Wassilij Wassiljewitsch von Berlin-Stadtmitte bis auf den Marktplatz von Neustrelitz der Aufgabe, dem düster vor sich hin qualmenden Wagenlenker ein Deutschlandbild zu vermitteln, das, wie David fand, bedenklich apologetische Züge trug.
    Der zweisprachige Vortrag des Majors mußte einen aktiven sowjetischen Soldaten ebenso irritieren wie einen deutschen Soldaten außer Diensten, denn wenn sie beide recht verstanden, so fuhren sie hier weniger auf einer Straße, die unter anderem an Sachsenhausen und Ravensbrück

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