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und Kutschen-Meyer und ihresgleichen, trotz der Begegnungen mit Xaver Frank und seinesgleichen, trotz der Lesearbeit und des Lesevergnügens von Marx und Engels bis zu Brecht und Becher hin; der Gedanke war wieder da, hier, in einem Wagen voll Machorkarauch, auf einer krummen Straße entlang am Plauer See, hier in der Gesellschaft eines Baschkiren und eines russischen Majors, der über der Blusentasche zwei Reihen Erinnerungszeichen an gewisse Begegnungen mit den anderen Groths und Meyers und Franks trug; ausgerechnet hier und jetzt rührte sich in David ein Gefühl,formte sich zu einem Gedanken und ging: Vielleicht läßt sich das doch noch machen in dieser Welt, vielleicht kommt man doch noch dahin, daß man seinen Namen nennen kann und den Namen seines Landes, ohne anderen ein Schrecken zu sein; vielleicht werden das einmal Worte sein, die nicht anders klingen, nicht besser und nicht schlechter als: Spiridonow und Irland, Baschkirow und Ungarn, Dubois und Schweden. Aber der Major ließ ihm nicht die Ruhe für seinen guten Traum; er überließ den Fahrer seinen bläulichen Genüssen und wandte sich an David allein: »Jetzt bring ich dir Kunde mein Freund, und sag dir von einer Not: Wir werden nun bald in Parchim sein; da bin ich Kommandant, und da ist Moltke geboren, und dort – ach, Fritze Andermann! –, dort hab ich einen Streit mit dem führenden deutschen Genossen, und was meinst du, worum es geht in diesem Streite? Um Moltke geht es. Dies ist die Lage: Die Stadt hat sich lange mit dem Namen Moltkes geschmückt; man kann es verstehen. Ein großer Platz trug ihn, ein großes Hotel, eine große Apotheke, eine lange Straße – nun ja: lang!, eine Straße jedenfalls, eine Brücke auch, ein Tor und ein Aussichtsplatz. Was soll man sagen; es ist überall so; in Leningrad heißt auch manches nach Kutusow – das ist normal.
Für mich ist das normal, aber was denkst du, mein frischer Gesell, für wen das nicht normal ist? Für Fritze Andermann ist es nicht normal! Zuerst noch hat er Moltke in Frieden gelassen; da ging es um Brot und Betten und Fensterscheiben, dann ist es um Arbeit gegangen und eine Ordnung und um die Spitzbuben und um neue Lehrer; da war er beschäftigt wie ein Biber, der Fritze Andermann. Er hat seine Kampagnen geführt, dieser Genosse: Kampagnen gegen schlechte Suppen und schlechte Gedanken – Kampagnen für ein neues Leben; du verstehst, mein guter Freund!
Aber dann hat er die Kampagne gegen Moltke eingeleitet, und seither haben wir unseren Krieg. Keine Moltke-Brücke mehr, kein Moltke-Tor, keine Moltkestraße, kurz: kein Moltke mehr.
Sogar das Denkmal wollte er entfernen, das Moltke-Denkmal am Friedensplatz, der früher – du wirst schon eine Ahnung haben, mein freundlicher Vetter – Moltke-Platz geheißen hat, achfritzeandermannnochmal!
Ich gebe zu, Genosse Andermann hatte gewisse Motive, die wie berechtigte Gründe ausgesehen haben: Er ist in diese Stadt gekommen und hat alles anders machen wollen und neu, und zuerst haben sie Angst vor ihm gehabt und haben gehorcht, aber wie das Leben wieder in Gang gekommen ist und manche Leute, die im Anfang gedacht haben, jetzt geht es ihnen an den Kragen, haben gemerkt, ihr Kragen ist noch ganz und ihr Hals noch da, sind da frech geworden, diese Schweinehunde, und haben dem Genossen Andermann zu verstehen gegeben: Was willst du denn, wo kommst du überhaupt her, scher dich doch in dein Hessen zurück oder in die Kohle, was weißt du schon, du Grubengaul, hier bist du nicht unter Tage, hier bist du in der Geburtsstadt Moltkes, hier ist die Moltke-Stadt, wir sind Moltke-Bürger, wir haben Moltke-Verstand, kurz: Sie haben einen Haß in ihm aufgezogen, einen Haß auf Moltke; es ist in seinem Kopf zu einer Identifizierung gekommen zwischen den Schweinehunden und dem Feldmarschall Moltke, und darum muß der Moltke weg. Auch das Denkmal – oi, Fritze Andermann!
Da bin ich eingeschritten; ich bin der Kommandant. Ich habe gesagt: Keinen Schritt näher an das Denkmal heran.
Du sollst nämlich erfahren, mein guter Junge du, ich habe das Denkmal im Auge. Es steht auf der einen Seite des Platzes, und gegenüber auf der anderen Seite ist meine Kommandantur. Dort stehe ich am Fenster und kann dem Marschall ins Auge sehen – ich konnte es, ich konnte ihm ins Auge sehen; jetzt sehe ich anderem ins Auge, und das ist …
Wenn ich denke, Moltke: der Generalfeldmarschall, der seinen Truppenführern die nötige Freiheit ließ, ihre Truppe zu führen. Der oberste
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