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nur Beschwichtigung, und so grausig leer die Welt auch war, als Wilhelm Groth sie verlassen hatte, so war sie doch durch den Tod nicht anders geworden; sie war in der alten Ordnung, und das hieß vor allem: Wenn man nicht achtgab, wurde man von ihr erschlagen.
Wilhelm Groth war sehr allein sehr öffentlich gestorben, aber er hatte seinen Sohn nicht in Rätseln zurückgelassen. Er hatte ihm gesagt, was er wußte, und er hatte es ihm so gesagt, wie er es konnte, diesmal, das einzige Mal vielleicht, ohne die vorsichtigen und listigen Bögen, dieses eine Malohne behutsamen Spott, dieses Mal mit unverdeckter Liebe und also ohne Rücksicht.
Seine Kraft reichte nicht mehr weit. Zwei Witze am Tag und ruhiges Schweigen dort, wo er hätte schreien mögen und schreien müssen, wenn es nach den Schmerzen gegangen wäre, das brachte er gerade noch zuwege, aber niemand lebte nur durch seinen Willen, und wer für die Unterdrückung eines einzigen Schreis soviel Energie verbrannte, wie er früher für einen überlangen Tag in einem bewachten Steinbruch benötigt hatte, der kam bald an ein Ende. Das wußte Wilhelm Groth, und er sagte es David.
»Wir müssen nun mal darüber reden: Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht bis in die letzte Ecke, ob es richtig ist, so mit dir zu sprechen, aber ich glaube, es wäre feige und ungerecht, dir nicht zu sagen, was für dich wichtig ist. Nun bin ich kein so großer Apostel für Tapferkeit und Gerechtigkeit; wenn man ohne sie einigermaßen leben könnte, würde ich sagen: Laß sie sausen – was hilft die Gerechtigkeit, wenn du hungerst, und was hilft dir Heldenmut, wenn du sterben mußt; wer ins Bilderbuch kommen will, mag sich damit befassen, wir sind dafür nicht zuständig. Nur meine ich jetzt, wir sind dafür zuständig; es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gerecht und nicht feige zu sein, anders geht es uns an den Kragen. Meine Geschichte scheint das Gegenteil zu beweisen, so wie es mich jetzt am Kragen hat. Ich bin nicht feige gewesen, und wenn manche Leute auch gemeint haben, ich hätte eine ausgemachte Dummheit begangen, als ich für Herrn Blumenthal gutsagte, so haben mir doch zumindest ebensoviel Leute gezeigt, daß sie es für anständig hielten; in letzter Zeit jedenfalls, jetzt, wo alle sehen, wohin es geht, höre ich das öfter oder merke es doch wenigstens. Und da könnte man nun sagen: Na und, was hast du davon gehabt? Ins Lager haben sie dich gesperrt, wie einen Hund geprügelt haben sie dich – sie haben es wirklich, David, wird Zeit, daß ich es dir sage –, aus deiner Stellung bist du geflogen, aus deinen Träumen, in denen dein Junge zu Wissen und zu Würden kam, wurde nichts, das Gewehrund die Uniform der Schweinebande, die an alledem schuld war, hast du dennoch tragen müssen, und nicht lange mehr, dann bist du hin, bist ganz hin, und es macht dann überhaupt keinen Unterschied, ob du Heil geschrien hast oder gutgesagt für Herrn Blumenthal, ob du SA warst oder Schutzhäftling 67618, ob feige oder mutig, anständig oder nicht, unter der Erde ist da kein Unterschied.
So sieht es aus, David, aber es ist nicht so. So konnte es nur sein, weil ich allein war, in dieser Stadt jedenfalls fast allein. Was aber wäre gewesen, wenn ich nicht allein gewesen wäre, nicht hier und nicht im ganzen Land? Wenn man weiß, was wirklich geschehen ist, kriegt man so ein Bild nur schwer vor die Augen, und dabei ist es gar nicht unvorstellbar. Ja, die Leute haben sich von klingenden Reden etwas vormachen lassen und haben einen Kerl namens Hitler gewählt, das ist schlimm, aber noch normal. Dann aber, und zwar in einer Stadt, wo jeder weiß, was sein Nachbar zum Abendbrot hat, ertränkt ein Vieh in SA-Uniform einen älteren Mann in einem Bach, und ein Gericht sagt, der Ermordete war eigentlich der Mörder, und weil ein Gericht nur auf Grund von Beweisen urteilt, nennt es den Beweis: Der ertränkte eigentliche Mörder war ein Jude. Ist es wirklich so verrückt, sich vorzustellen, jetzt, wenigstens jetzt hätten die Leute kommen müssen und sagen: Halt, was macht ihr da, jedermann am Ort, jeder von uns, weiß, wie es gewesen ist, und nun erzählt nicht solche Sachen, macht eure Politik, davon verstehen wir nichts, aber macht kein Urteil von dieser Art, es nimmt uns allen Glauben.
Es ist nicht so gekommen, Junge, und was ich mir vorstelle, ist nur ein Traum, aber selbst in diesem Traum erwarte ich nichts Unmögliches von meinen Mitbürgern; ich sehe sie nicht mit Sensen und
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