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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Dreschflegeln bewaffnet vor dem Amtsgericht, ich lasse sie nicht Barrikaden bauen des Herrn Blumenthal wegen, ich träume nur Naheliegendes; ich erträume nur Fragen und Bedenken, ich lasse niemanden die Fäuste schütteln, nur die Köpfe, ich sinne niemandem Proteste an, Bitten genügen mir, ich träume ganz bescheiden. Ich weiß,selbst zu dem wenigen, von dem ich meine, es wäre möglich gewesen, hätte eine Art Mut gehört, so wie die Dinge lagen, aber weil damals sogar dies bißchen Mut nicht vorhanden war, liegen heute die Dinge so, daß niemand seines Lebens mehr sicher ist, mag er so feige sein wie immer nur verlangt.
    Was mich quälte, was mich immer noch quält, ist, ob ich dir sagen soll, was ich weiß. Es gilt als ein Verbrechen, und man würde mir den Kopf abschlagen, aber da müßten sie sich beeilen, und darum geht es mir nicht. Aber was ist mit dir? Die Wahrheit ist eine Last, und ich bürde sie dir auf, wenn ich erzähle. Von da an bist du es, den sie jagen müssen, und nach deinem Alter fragen sie nicht. Sie haben dich so schon gejagt, nur weil du mein Sohn warst und deines Namens wegen, aber dann erst würde es Ernst. Was soll ich tun?«
    »Ich komme schon zurecht«, sagte David.
    Und er kam zurecht. Vierzehn Tage nach dem Tod seines Vaters ging er nach Berlin. Sein Meister, bei dem er zwei Lehrjahre verbracht hatte, half ihm dabei. Er regelte den Wechsel mit der Handwerkskammer, er brachte sogar ein Schreiben vom Kreisleiter bei, dem er die Jagdflinten pflegte, er vermittelte David zu einem alten Kollegen in Lichtenberg, und der nahm David ohne allzu große Neugier auf.
    Hilde Groth blieb in Ratzeburg, aber sie versuchte nicht, David zu halten. Sie hatte zwar Angst um den Jungen in einer brennenden Stadt, doch sie verstand auch, daß er fort wollte aus einer anderen, in der Verständnis oder Mitgefühl der Nachbarn allenfalls ausreichten, einen Gruß lang den geilen Schrecken in den Augen zu verschleiern.
    Davids neuer Lehrherr war ein alter Mann, der viel zu listig war, um sich sehr auf das gefährliche Geschäft des Fragens einzulassen.
    »Haste Stunk gehabt?« war alles an Erkundigung, und als David genickt hatte, sagte er: »Auch gut – und was kannste?«
    Er entpuppte sich bald als einer jener im allgemeinen unauffälligen, genügsamen und friedfertigen Menschen, die gleichwohl auf einem bestimmten Feld zu den intolerantesten Fanatikernwerden können. Als Mensch – um diese Unterscheidung zu benutzen – war der Büchsenmachermeister Treder ein Lamm, als Büchsenmachermeister war er ein reißender Wolf.
    David gelang es in dem einen Jahr der ihm verbliebenen Lehrzeit nicht, einen auch nur annähernd genauen Überblick über die ungeheuer vielköpfige Verwandtschaft des Meisters zu gewinnen; ihm blieb nur der Eindruck eines nicht abreißenden Stromes von Söhnen, Töchtern, Tanten, Enkeln, Cousins, Nichten und Schwiegertöchtern, der durch Werkstatt und Laden spülte und immer sogleich davontrug, was Treder dank seiner glänzenden Geschäfte mit Stabsfourieren, Kantinenchefs und Materialverwaltern herangeschafft hatte.
    Es schien, als ob der Krieg den Kriegern nicht blutig genug wäre oder als ob sie fürchteten, in den Schießpausen das Zielen zu verlernen – kaum hatten die Nachtjäger vom Luftverteidigungsring einen freien Tag, kaum waren Partisanenjäger aus dem Osten zu schneller Rearmierung in die Hauptstadt gekommen, kaum hatte in Potsdam ein Kurzlehrgang für Panzerjäger aus Italien begonnen, und schon erschienen die Kämpfer selbst oder deren Abgesandte, uniformierte Beamte oder gerissene Druckposteninhaber von der Butterseite der Armee, um ihre Flinten für einen Pirschgang durch die Wälder um Michendorf und Buckow überholen zu lassen. Manchmal liehen sie auch ein Stück aus Treders Arsenal, aber meistens brachten sie ballistisches Beutegut, das für die Pirsch auf Hahn und Sau justiert oder mit neuem Zubehör versehen werden mußte. Der Meister Treder war ein König des Schießzeugs; zwar gab es in jeder Kaserne eine Waffenkammer, und jeder Stab hatte seinen Waffenmeister, aber in diesen Bereichen beschränkten sich die Kenntnisse meist auf einfache Feinmechanik, und von der bis zur Büchsenmacherkunst war es – jedenfalls laut Treder – so weit wie vom Einbaum bis zum U-Boot des Kapitänleutnants Prien.
    David wußte dies alles nicht, als er dem Meister zum erstenmal gegenüberstand, und so wurde ihm himmelangst, als ihn der alte Mann in ein unmäßiges Examen nahm und

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