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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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gleich, wo«, sagte Hilde Groth.
    Dieser stille Satz brachte den Assistenten mehr auf als alles, was bis dahin gesagt worden war. Man merkte ihm die Mühean, mit der er seine Stimme in normaler Tonlage hielt, aber gerade dadurch wurde seine Wut besonders deutlich. »Was gleich ist und was nicht, bestimmen wir. Sie scheinen nicht begriffen zu haben, was hier passiert ist!«
    »Mein Mann ist tot«, sagte Hilde Groth.
    Der Kriminalrat sprach fast behutsam: »Nicht einfach tot, Frau Groth. Unsere Anwesenheit zeigt, daß er nicht einfach tot ist. Wenn er zum Beispiel gefallen wäre, dann wären wir nicht hier. Sehen Sie doch einmal den Unterschied!«
    »Für mich ist er nicht so groß wie für Sie, Herr Rat. Ich war achtzehn Jahre mit Wilhelm Groth verheiratet, und nun ist er tot. Das ist der Unterschied, meiner.«
    »Schon, liebe Frau, aber wir haben andere Dinge zu untersuchen. Für uns ist das kein beliebiger Sterbefall. Selbstmord ist in den Augen des Staates ein Verbrechen, wenn auch nicht im juristischen Sinne. Der Staat mag jedenfalls keinen Selbstmord, weil der ein Hinweis auf Unordnung ist. Erst recht im Kriege und erst recht in einem so gewaltigen Kampf, wie wir ihn führen. Und das mit Ihrem Mann ist nicht einmal ein beliebiger Selbstmord. Ein deutscher Unteroffizier erschießt sich unter dem Galgen, an dem ein polnischer Rassenschänder sein Verbrechen gebüßt hat; das ist politisch, liebe Frau.«
    »Mein Mann war sein Leben lang nicht politisch!«
    »Wegen was war denn der da in Dachau?« fragte der Assistent. »Und dies Gequatsche über die Banditen in Frankreich und jetzt dieses Ding mit dem polnischen Hurenbock, was war denn das? Nicht politisch? Für wie blöde halten Sie uns eigentlich?«
    »Aber er hat den Polen doch gar nicht gekannt!«
    »Eben! Wenn er ihn gekannt hätte, dann wär’s schon schlimm genug – daß er diese französischen Mistbauern in Schutz genommen hat, weil er sie gekannt hat, das war auch schon schlimm genug – aber den Ostarbeiter hat er nicht einmal gekannt und schießt sich dennoch in den Kopf unter dessen noch warmem Strick; das war doch eine klare politische Demonstration, und nun erzählen Sie uns hier nichts, Sie!«
    »Moment, Kramp«, sagte der Rat, »natürlich haben Sie recht, aber lassen Sie uns mal überlegen: Wenn der Mann das als Demonstration aufgefaßt wissen wollte, wozu sollte sie dann dienen?«
    »Sonnenklar, Herr Rat: Fanal, Beispiel, Aufruf, Zersetzung der Moral, das Ding ist überdeutlich!«
    »Richtig, Kramp, absolut. Nun aber weiter: Wenn diese Motive des Mannes bekannt werden, dann ist sein Plan doch aufgegangen, oder? Dann ist er da, wo er mit seiner Demonstration hinwollte, oder nicht? Also?«
    »Ich weiß nicht recht, Herr Rat.«
    »Aber ich, Kramp, aber ich: Deckel drauf! – Frau Groth, hören Sie gut zu: Ihr Mann ist vor Schmerzen irrsinnig geworden. Bedauerlich für Sie, aber das werden die Leute verstehen. So wird auch verständlich, warum er sich ausgerechnet da bei dem Polen … So etwas macht man nicht mit klarem Verstand …«
    »Aber mein Mann hat gesagt: Ebensogut kann man einen aufhängen, weil er gegessen hat.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Ja. Wenn einer vierundzwanzig ist, muß er zu einem Mädchen, wie einer essen muß. Und wenn einer nicht zu einem Mädchen kann, weil Krieg ist, und wenn einer nicht mehr essen kann, weil Krieg ist, dann stellt sich heraus, was der Krieg ist.«
    »Nicht politisch, was«, sagte der Assistent, »überhaupt nicht politisch – und so was kriegt auch noch das goldene Verwundetenabzeichen. Ich finde, Herr Rat, das müßten wir einziehen, das kann doch nicht in diesem Haus bleiben!«
    »Es ist nicht mehr da«, sagte Hilde Groth.
    »Sondern?«
    »Eine Taube fliegt damit rum.«
    Das Kopfzittern des Rates wurde außerordentlich, und die Hand des Assistenten verkrampfte sich in seinen leeren Ärmel.
    »Langsam jetzt, Frau Groth … eine Taube?«
    »Mein Mann macht manchmal solche Sachen.«
    »Machte«, sagte der Assistent.
    »Er hat immer Witze gemacht.«
    »Dann erzählen Sie uns diesen Witz mit der Taube.«
    »Er hat eine von den Danziger Hochfliegern aus dem Schlag geholt und hat ihr das Abzeichen umgebunden und hat sie hier auf das Fensterbrett gesetzt. Die Taube hat sich erst geschüttelt, aber dann ist sie losgeflogen, und er hat gesagt, im ersten Weltkrieg wäre sie nicht so leicht damit hochgekommen, aber nun wäre es nur noch Blech.«
    »Völlig unpolitischer Witz«, sagte der Assistent, »und Sie fanden

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