Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
bin ich mit, um Bilder zu machen, ich bin kein Passepartout, sondern Fotografin.«
    »Schön, Franziska, wir werden ja sehen, was wichtiger ist.«
    Fran hatte dieses erste Gespräch mit der Gräfin Lehndorff und auch die Reise mit ihr beinahe vergessen gehabt; es war nicht mehr gewesen als die spröde und vage Unterhaltung zwischen zwei sehr verschiedenen Menschen, die noch nicht so sehr viel miteinander anfangen konnten und es auch nicht eilig haben mußten, das zu ändern; die Reise, die zwangsläufige Gemeinsamkeit auf Zeit und vor allem die Arbeit zu zweit würden noch hunderttausend Worte nötig machen, und dann würde man ja hören, wer wer war und wie er war und warum so und nicht anders.
    Aber das, so stellte sich heraus, war nur Frans Haltung gewesen und nicht die der Chefkorrespondentin Dr. Renate Gräfin Lehndorff. Durch ihren Bericht »Expedition nach Nebenan« geisterte ein seltsames Wesen, das manchmal unddann in Anführungszeichen »Begleiterin« oder »Fotografin« genannt wurde, öfter aber und ohne die relativierenden Gänsefüßchen: mein charmanter Schatten, Frau Sesam, die Dame vom Amt, oder, jedenfalls immer, wenn die fremdartige Ausdrucksweise eines Interviewten hervorgehoben werden sollte, meine Dolmetscherin. Von den vielen Gesprächen zwischen Fran und der Gräfin, Gesprächen über Parfüm und Kinder, Kreuzfahrten in der Karibischen See und Sozialversicherung, Krebstherapie und Manhattan, den Stadtteil, und Manhattan, den Cocktail, über David Oistrach, Klebekacheln, ORWO-Filme, Sukarno, Autobahngebühren, die Moden in Vogue und Sibylle, Strittmatter und immer wieder Onkel Olrik von Dolenhoff, Selbstbedienung, Apartheid, Oben-ohne- und Ohne-mich-Bewegungen, Franz Josef Strauß (Übereinstimmung) und den Spiegel (keine Übereinstimmung), Ulbricht (keine Übereinstimmung) und Männer im allgemeinen (weitgehende Übereinstimmung), Greenwich Village (kleiner kühler Vortrag von Frau Dr. Renate Gräfin Lehndorff) und das Fernsehprogramm von Adlershof (längerer und keineswegs kühler Vortrag von Frau Franziska Groth), das Hotel Ursula in Helsinki, in dem beide schon einmal gewohnt hatten, Wohnungen, in denen beide niemals würden leben wollen, Yves Montand, Felsenstein und die Callas, Clara Zetkin und das dumme Gehabe der Männer am 8. März und auch gleich den Muttertag und auch gleich die Babypille und auch gleich den Papst und Martin Luther King und Reisgerichte hier und dort und Gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Deine Hand für dein Produkt und Hast du was so bist du was und Die Frau die weißer wäscht und Öfter mal was Neues und Amis raus aus Vietnam und Vietnam und Vietnam und siebentausend andere Dinge, Orte, Erscheinungen, Sachverhalte, Mythen, Begriffe, Namen und Realitäten, Gespräche mehrmals um die Erde und durch den Himmel über ihr, Gespräche beinahe über den Waschtrog hinweg und dann wieder wie über den Ozean hinüber und herüber, lustige und bissige, lauernde und traurige, scharfe und solche ganz ohne Belang, Gesprächeeben zwischen zwei mehrfach Fremden, die aber Weggefährten waren auf Zeit und nicht mehr voneinander wollten, so hatte Fran gemeint, als guten Eindruck hin und her und Arbeit.
    Spuren von alledem fanden sich dann in der Gräfin Bericht von der Expedition nach Nebenan, aber es hieß da immer nur: »Wie ich hörte«, oder »Man gab mir zu verstehen«, oder »In X erfuhr ich«, oder »Verstohlen sagte eine junge Frau«, und Fran sah sich staunend in viele Hüllen getan; sie las zwar ihre Worte, sah sich aber in »eine stämmige LPG-Bäuerin« verwandelt oder einen »schüchternen Oberschüler« oder einen »bemerkenswert selbstbewußten jüngeren Wissenschaftler« und einmal sogar in einen »knorrigen Fahrensmann, unverwechselbaren Typ unverwechselbarer Ostseelandschaft«, und erst an dieser Stelle war ihre Empörung durchgeschlagen, und sie hatte ausgerufen: »Dabei bin ich aus der Börde!«, und David hätte es vor Lachen darüber fast auseinandergerupft.
    »Das zerrupft mich«, hatte er geschrien, »alles verträgt die, wenn ihr nur keiner ans Recht auf Heimat will. O trächtiger Bördeboden, nicht nur Rüben wurzeln fest in dir, auch deine Töchter tun ein nämliches! Sag mal, und die Beschreibung, die Frau Gräfin von dir geliefert haben, die kratzt dich, scheint mir, nicht halb soviel wie der Umstand, daß bei der Verteilung deiner goldenen Worte auch ein biederer Fahrensmann bedacht worden ist?«
    »Ich weiß nicht, ob die mich kratzen sollte. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher