Das Impressum
in seinem Magazin mancherlei Informationen, die zuvörderst den Herren Schriftstellern Andersen bis Zschokke, Heinrich, zu danken waren, aber die stärksten Impulse kamen vom Selbsterlebten, und so würde die erste Antwort auf den Abruf Gräfin nur Gräfin Lehndorff lauten.
Die Gräfin war nicht nur von ältestem Geblüt, sondern auch vom jüngsten journalistischen Pfiff. Sie war im Osten geboren und im Westen zu Hause. Wenn sie Osten sagte, klang das wie Sattelzeug, und wenn sie Westen sagte, klang es wie Saint-John Perse. Und wenn sie von Leuten sprach, unseren Leuten oder diesen Leuten da oder den Leuten daheim auf dem Hof oder jenen Leuten neulich in jenem Betrieb, so hatte das Wort die Gemütlichkeit einer Lodenjoppe und zeugte von der demokratischen Gesinnung etwa eines älteren Buddenbrook und war auch von der frischen Herzlichkeit, in die sich ein preußischer Oberst zu finden vermag, wenn er sich für voraussehbar längere Zeit von Ersatz und Entsatz abgeschnitten weiß und angewiesen bis Gedeih oder Verderb auf eben seine Leute. Sie war klug, konnte lachen und war von graubraunem Schick und konnte jiddische Witze erzählen und Nordhäuser Korn vertragen und hatte über Adam Smith’ Verhältnis zu den Physiokraten promoviert. Sie war ein Feind von der gefährlichsten Art; es schien, es ließe sich mit ihr reden.
»Lehndorff«, sagte sie, und Fran sagte »Groth«, und dann gaben sie sich die Hand und beäugten einander.
»Da ich wohl zu Recht annehme, daß Sie über mich sehr genau im Bilde sind«, sagte die Gräfin, »werden Sie mir den Versuch gestatten gleichzuziehen. Schließlich juckeln wir die nächsten vierzehn Tage zusammen durch die Gegend.«
Wenn es nur um Gleichstand zu tun gewesen wäre, hätte sie nach den ersten vier Fragen zufrieden sein müssen, aber sie schien ihre eigenen Vorstellungen von Frans Stellung und Aufgabe zu haben, und sie erklärte, ihr Prinzip im Umgang mit Menschen sei Freimut, und es sei dies ein Erbteil der Lehndorffs, ein nicht immer bequemes, aber doch sehr fruchtbares Prinzip, bequem ganz gewiß nicht, das wußte Gott, und schon die Hohenzollern hätten es erfahren müssen bei ihren Tänzen mit den Lehndorffs und selbst der Herr Freisler, der auch, mit den Zähnen habe er geknirscht beim Verhör ihres Onkels Olrik von Dolenhoff damals nach dem zwanzigsten Juli, der Dolenhoffsche Freimut habe ihm gar nicht geschmeckt, diesem entsetzlichen Verzerrer deutschen Rechts, und dies sei eine der köstlichsten Szenen in Onkel Olriks Erinnerungen, vielleicht habe Fran das gelesen: Olrik von Dolenhoff, »Freimütige Erinnerungen aus Krieg und Frieden«?
»Ich komme nicht so oft zum Lesen«, sagte Fran, »und wenn, dann ist es Fachliteratur oder mal ein Roman.«
»Erzählen Sie doch«, sagte die Gräfin, »wenn Ihr Presseamt Sie nun schon auf diese Reise mit mir schickt, da will ich Sie doch gleich in meine Studien einbeziehen. Wie leben Sie?«
»Wie lebe ich? Ich arbeite, das heißt, ich fotografiere, und zu Hause habe ich einen Mann und ein Kind.«
»Was macht Ihr Mann?«
»Der ist auch bei der Zeitung.«
»Eine Journalistenehe, ist das nicht anstrengend?«
»Ich kenne nur diese eine Art.«
»Und Sie haben nicht manchmal den Wunsch, Sie könnten zu Hause bleiben, brauchten nicht zu arbeiten?«
»Oft genug, aber Fotografieren ist ja nicht nur Arbeit.«
»Sondern?«
»Vielleicht Spiel oder Weltentdecken oder Denkmäler bauen.«
»Ist das Frauensache?«
»Das fragen ausgerechnet Sie, Frau … wie sagt man denn zu Ihnen, Frau Doktor oder Frau Gräfin?«
»Einfach Gräfin.«
»Einfach Gräfin? Hübsch. Aber was ist heute Frauensache? Ihre Reise durch dies Land zum Beispiel, ist die Frauensache?«
»Nun, Sie wissen zweifellos aus meinem Ansuchen bei Ihrem Presseamt, daß mein Interesse vornehmlich auf die Stellung der Frau im öffentlichen Leben hier gerichtet ist. Sie beispielsweise finden Ihre Tätigkeit und Ihre Stellung normal; Sie finden es normal, mit einer gewissen politischen oder administrativen Macht ausgestattet zu sein …«
»Bin ich das?«
»Ich denke schon. Ihr Herr vom Presseamt hat mir jedenfalls so Ihr Mitkommen erklärt und, ich glaube, auch schmackhaft gemacht. Ohne Sie, hat er gesagt, käme ich nicht einmal am Pförtner eines mittleren Betriebes vorbei. Was habt ihr zu verbergen?«
»Entschuldigen Sie, Gräfin, Sie haben doch eben gerade gesagt, daß ich mitgeschickt worden bin, damit Sie hineinkommen. Aber vor allem, so sehe ich das jedenfalls,
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