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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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der Art, wie sie die erfüllten, war ganz gut abzulesen, zu welcher Sorte Chef sie gehörten. Da gab es die Weisungsberechtigten, die Makarenko gelesen hatten und seither alle ihre Anordnungen mit einem SpritzerPädagogik zu servieren pflegten und ihr Sagen wie ein Fragen klingen ließen: Vielleicht könnte man es folgendermaßen anpacken … oder: Ich überlege gerade, ob nicht … oder: Was meinen Sie, wäre es nicht denkbar, daß …?
    Das war keine schlechte Methode, aber sie war mühevoll, denn um sie erfolgreich anzuwenden, das heißt, trotz ihrer die eigenen Absichten durchzusetzen, mußte man vorbereitet sein auf Argument und Gegenargument, denn wenn man diesen Frageton erst einmal eingeführt hatte, konnte man sich darauf verlassen: Die anderen antworteten in ebendiesem Frageton, sagten keineswegs ein klares Nein, obwohl sie ein klares Nein im Sinne hatten, sondern grübelten nun ihrerseits dem Gedanken hörbar nach, fanden ihn auf jeden Fall zunächst einmal bestechend, fanden, daß er zunächst einmal auf jeden Fall bestechend sei, und hatten mit dem Wörtchen zunächst schon angemeldet, daß sie ihn gleich nicht mehr ganz so bestechend finden würden, und schon ihre folgende Frage machte deutlich, daß sie den eben noch bemerkenswerten Gedanken des Chefs im Grunde ganz beschissen fanden. Hm, brummten sie – und ein ebenso respektvolles wie ablehnendes Hm war eine Kunstleistung für sich –, hm, diese Überlegung habe zweifellos ihre Reize, nur gelte es dann natürlich zu prüfen, ob wohl die Voraussetzungen, von denen der Chef zu seiner Fragestellung gekommen sei, auch wirklich … Wenn man Chef bleiben wollte, nicht de jure, das ging auch anders lange, sondern de facto, dann löste man sich an diesem Punkt von allem Vagen und gab den sicheren Bescheid, das sei geprüft und alles in der Ordnung und von daher könne man nun wohl ein bißchen weiter überlegen.
    Das Gegenteil von Makarenko war einfacher, aber überholt und weithin unbeliebt, und war auch nur scheinbar einfacher, denn über erste Erfolge konnte man mit ihm in böse Klemmen geraten. Es war die Generalsmethode, und die Formel hieß: Ich ordne an!
    Ich ordne an! war schnell gesagt, aber wache Untergebene wußten genau, daß man nicht mehr im Felde stand, und fügtendeshalb ihrem steinernen Jawohl die Bitte an: Ich bitte, mir dies schriftlich zu bestätigen! Dagegen war schlecht etwas zu sagen, denn es gehörte zu den inneren Gesetzen dieses Leitungssystems, daß Papier der unvermeidliche Katalysator aller erwünschten Prozesse war. Nur, wenn dann die Ergebnisse am Ende doch anders ausfielen, als wünschenswert gewesen war, und wenn sie gar so waren, daß sich die Schuldfrage breitmachte, dann erwies sich die vertrackte Grundeigenschaft eines jeden Katalysators als äußerst mißlich, jene nämlich, daß er zwar eine Reaktion zu beschleunigen vermag, nicht aber an ihr teilnimmt und so auch keine Veränderung erfährt. Das verwünschte Papier mit den verwünschten Worten »Ich ordne an!« hatte überdauert, auch wenn das Angeordnete selbst längst in Rauch und rote Zahlen aufgegangen war.
    Deshalb traf man nur noch selten auf den Leiter mit den allzu deutlich getragenen Epauletten; es ging zivil zu und demokratisch, und die Übergangsschwierigkeiten äußerten sich in einem Zuviel an Debatte, im umständlichen Vokabular der Auseinandersetzungen und in der komischen Erscheinung schnörkeliger Leutseligkeit.
    Besonders interessant war da jener Staatssekretär gewesen, der einen bestechenden Eindruck von Sachlichkeit und Kompetenz gemacht hatte, solange es bei den Gesprächen während eines Werksrundgangs um Materialschwierigkeiten, Arbeitskräftefragen und technologische Probleme gegangen war und er die Anwesenheit der Presse vergessen zu haben schien. Dann aber war die Pause gekommen und der kleine Imbiß, und der eben noch sachbesessene Mann, der genaue Fragen zu stellen und genaue Antworten hereinzuholen und Bescheidenheit mit Entschiedenheit zu vereinen gewußt hatte, derselbe Mann hatte sich in einen Schulterklopfer und Schulmeister verwandelt, kaum daß ihm die Gegenwart eines Journalisten mit Stenoblock und einer Journalistin mit Kamera wieder bewußt geworden war, und die Formel war ihm als erstes von den Lippen gegangen: »Schauen Sie einmal!«
    »Schauen Sie einmal, Kollegen, mit welchen einfachenMethoden unsere Freunde von der Zeitung ihre technischen Probleme lösen, schauen Sie sich einmal dieses Kamerastativ genau an und zählen Sie

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