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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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ich das so lese, da bin ich doch eine bedeutende und nicht wenig gerissene Persönlichkeit.«
    »Nicht gerissen genug, die Gräfin hat dich durchschaut: ›Offiziell und zumindest einem Teil ihrer Tätigkeit zufolge war meine Begleiterin Pressefotografin, und zweifellos hatte man ihr auf was immer für einer Schule das Fotografieren ausgezeichnet beigebracht. Auch wußte sie ihre netten Kleider nett zu tragen, aber irgendwie war immer ein Hauch von Lederjacke um sie. Dennoch: diejenigen, die ihr die Rolle ins Drehbuch geschrieben hatten, verstanden etwas von Besetzung;dies war die ideale Bevollmächtigte mit Charme, ein grauäugiges Persönchen, das mühelos den Jargon der Arbeitsdirektoren und Parteisekretäre beherrschte und bürokratische Widersacher mit dialektischen Karateschlägen aus dem Wege räumte oder auch wohl mit einem vor mir verschlüsselten Hinweis auf ihre eigentlichen Auftraggeber und deren Wünsche nach schönen Bildern.
    Irgendwann einmal wird man ihr einen größeren Auftrag geben, und vielleicht werde ich ihr dann wieder begegnen, vielleicht bei einem UNO-Cocktail oder beim Empfang einer jener DDR-Botschaften, die es heute noch nicht gibt, aber unausweichlich einmal geben wird, und Franziska G. wird mir dann womöglich als Residentin, nein, dies ist ein Schreibfehler Freudscher Natur, als Repräsentantin, wollte ich sagen, etwa der Vereinigung Volkseigener Betriebe für Optik vorgestellt werden, doch ich weiß nicht, ob sie mich dann noch kennen wird, ja, ich weiß nicht einmal, ob sie sich noch erinnern wird, dereinst Franziska G. geheißen zu haben und gewesen zu sein: eine nette junge Frau aus Deutschlands Mitte, noch nicht zu sehr geprägt von einem Beruf, dessen Wege sich am Ende immer in der Kälte verlieren.‹«
    »Die soll mir nicht noch mal unter die Augen kommen!« hatte Fran gesagt, und David hatte gelacht. »Na und, was würdest du dann machen? Würdest du sagen wollen: Gräfin, Sie haben mich enttäuscht, Sie haben geschrieben wie eine hochbezahlte westliche Journalistin, die an uns nur stört, daß wir vorhanden sind, und Hand aufs Herz, ich bin wirklich nur Fotografin, und selbst die Farbe meiner Augen ist echt. Was wolltest du ihr sonst wohl vorwerfen? Daß sie deine hundert Weisheiten auf so ziemlich die gesamte DDR-Bevölkerung verteilt hat, na hör mal! Du hast Interessantes geäußert, und das wollte sie unterbringen, aber erstens wäre es eintönig gewesen, wenn sie immer geschrieben hätte: Hierzu meinte Franziska G., und dazu meinte Franziska G., und zweitens hätte das nicht zu dem Bild gepaßt, wie sie es von dir brauchte; die ihr vom Amt, wie sie immer so schön sagt, beigegebeneBegleiterin hatte einen etwas dunklen Zug zu haben und Figur aus einem Mantel-und-Degen-Stück zu sein, da konnte sie so was Redseliges wie dich nicht gebrauchen.«
    »Bin ich redselig?«
    »Du bist redselig, manchmal, aber, damit du es gleich wieder weißt, es ist mir recht so.«
    »Danke, Väterchen«, hatte sie gewispert und dazu einen linkischen Knicks gemacht und verschämte Augen. Sie hatte sich über seinen Patriarchenton und über ihr albernes Gehabe geärgert, und sie tat es heute noch, und sie wußte, an den David mit dem Buddhabauch würde sie sich nie gewöhnen.
    Das war einer, der Kindchen zu einem sagte und: Nun hör mal schön zu! und: Ich will’s mal ganz einfach ausdrücken! und in krisennahen Augenblicken gar: Nun schau einmal!
    Dagegen gab es nur ein wirksames Mittel: stille sein und schauen, richtig schauen, Füße aneinander, große Zehe an große Zehe, Knöchel an Knöchel, Knie gegen Knie, Hände in den Schoß, leicht gefaltet, Oberkörper sacht nach vorn geneigt, Lippen ein wenig gespitzt, Nüstern gebläht und die Augäpfel so groß und rund wie irgend möglich: nicht atmen, der große Gautama verkündet wieder! Wenn man das durchhielt, hielt er nicht durch; was eben noch Lehre war, wurde nun Semmelmehl und quoll ihm im Mund, und ein Buddha, der vor Publikum schwer zu schlucken hat, schluckt immer auch ein bißchen von der eigenen Bedeutung.
    Allerdings, wenn er nun tatsächlich Minister werden sollte, dann käme ihm diese Unart vielleicht sogar zustatten. Mitarbeiter erwarteten nun einmal von ihren Chefs eine Art Belehrung; auch wenn sie es nicht mochten, erwarteten sie es doch. Das war wohl auch eine jener Abmachungen von alters her, ohne die noch nicht auszukommen war. Noch nicht oder nie?
    Und Vorgesetzte erwarteten von ihren Untergebenen diese Erwartung, und an

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