Das Impressum
sich weiter, daß die Schwiegertochter vom Kollegen oder der Herbert, der noch die zwei Jahre rummachen kann, oder die Nachbarin am Gartenzaun oder alle drei und andere auch noch sagen: »Wenn’s gibt, ich könnte auch welche brauchen!«
Und weiter begibt sich nun, daß Großvater Kist eines Abends nach einem erfolgreichen Einkaufszug die junge Ärztin am Hausbriefkasten trifft, die wohnt zwei Treppen, hat viel zu tun, ist aber immer freundlich und sagt auch jetzt freundlich: »Tag, Herr Kist, noch ein bißchen Bier geholt für den Feierabend?«
»Da brauchte ich viel Bier«, sagt Großvater Kist, »bei mir ist jetzt immer Feierabend. Nee, ich hab Kaffeesahne besorgt, für die Familie und ’n paar Bekannte auch gleich mit.«
»Da ist man gut dran«, sagt sie, »wenn man jemanden hat, der sich darum kümmern kann.«
»Sie haben wohl keinen? Wenn Sie wollen, hier«, und er gibt ihr zwei Flaschen.
Sie nimmt, sie dankt und kämpft ihm sechzig Pfennig über den Preis in die Hand, und sie sagt noch, falls er einmal zufällig auf eine Plastikbadewanne für Kleinkinder stoßen sollte, riesig würde sie sich freuen.
Er verläßt sich nicht auf den Zufall, er sucht, er hat ja Zeit, er findet, er bringt, sie freut sich und überzahlt die Wanne auf angemessene Weise.
Und hier endet nun der märchenhafte Anfang, denn in Geldsachen hören auch die Märchen auf, und zur Geldsache wird, was als Freundlichkeit und nur zum Zeitvertreib begann.
Richard Kist wird Unternehmer. Er produziert nicht, und er spekuliert nicht mit Grund und Boden, und er gründet keine Bank, aber er wird ein Unternehmer. Also handelt er?
Die Antwort hierauf ist eine reine Standpunktfrage.
Da ist der Standpunkt von Richard Kist: Nein, wie sollte er ein Händler sein! Er ist ein Helfer und vielleicht ein Bote, aber doch kein Händler! Er kauft keine Ware vom Produzenten, und er verkauft keine Ware an Konsumenten und gründet sein Einkommen auch nicht auf den Zuwachs von Gebrauchswert, den die Ware auf dem Wege zwischen Produktion und Konsumtion erfährt. Letzteres freilich sagt Richard Kist etwas leiser, denn er weiß nicht so recht, ob das stimmt, oder besser: Er ahnt schon, daß es nicht stimmt. Zwar möchte er als Quell seiner Einkünfte eine Kategorie einführen, von der bislang in theoretischen Schriften zur Ökonomie nichts zu lesen war, die Kategorie Freundlichkeit, aber ganz wohl ist ihm dabei nicht, denn man ist hierzulande nicht im mittleren Eisenbahndienst gestanden, ohne gelegentlich zumindest mit gröberenUmrissen der Wissenschaft von Marx, Karl, Kapital und so, in Berührung gebracht worden zu sein.
Dennoch versucht er es mit der Freundlichkeit; aus Freundlichkeit hat er Töchtern und Schwiegertöchtern von Freunden und Nachbarn und Nachbarn von Nachbarn dieses und jenes besorgt; aus Freundlichkeit haben Obgenannte ihm hier und da einen Groschen für seine Vermittlung gegeben, einen Groschen oder auch eine Mark oder auch ein paar Mark, je nachdem; aus Freundlichkeit, zum Dank für ihre Freundlichkeit, hat er den Leuten mit der Verfügung über Bestände an Kaffeesahne oder Plastikbadewannen oder Gurken oder Leber oder, das war aber erst später, bitte sehr, Kühlschränken oder Fernsehgeräten wieder etwas abgegeben von dem, was er von erfreuten Versorgten für seine freundlichen Besorgungen bekommen hatte. Ja, ein Besorger ist er, ein Händler keinesfalls, ein Beschaffer vielleicht, womöglich ein Vermittler und allenfalls ein Makler.
Da hat der Ökonom, der Mann von der Theorie, einen anderen Standpunkt: Das kennt er, sagt er, diese Beteuerung des Unternehmers, Helfer zu sein, selbstloser Helfer zum Allgemeinwohl, das ist ihm nicht fremd. Aber das ist Schnurrefanz, damit hält er sich nicht auf. Handel, so steht es selbst im bürgerlichen Buche, ist die räumliche und zeitliche Verteilung von wirtschaftlichen Werten, um sie einem besonders hohen Gebrauchswert zuzuführen. Hatte es Herr Richard Kist mit wirtschaftlichen Werten zu tun? Ja! Erhöhte sich durch das Tun des Herrn Richard Kist deren Gebrauchswert an ihrem Ausgangs- wie an ihrem Endpunkt? Ja! Und war dies Tun unter wissenschaftlichem Gesichtspunkt eine Art Verteilung? Ja! Und spielten endlich Raum- und Zeitfaktor bei der Erhöhung des Gebrauchswerts und also auch der Gewinnmöglichkeit eine wichtige Rolle? Ja! Vierfache Deckung mit der Definition: also Handel! Alles andere Schnurrefanz. Was heißt hier Makler? Das Maklerwesen ist nur eine Subform des Handelswesens! Was
Weitere Kostenlose Bücher