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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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heißt Vermittler? Der Handel liegt schon lange nicht mehr in einer Hand; da gibt es Aufkäufer, Großhändler,Kleinhändler, Agenten, Reisende und, jawohl, von alters her, Vermittler, weitere Subform zum Oberbegriff Händler. Und ein Beschaffer, was ist der? Nun, erstens ist diese Erscheinung wohl jüngeren Datums und vermutlich amerikanischen Ursprungs, aber inzwischen gibt es sie auch anderswo, es gibt bereits regelrechte Ämter für Beschaffung, aber, wie gesagt, es handelt sich lediglich um eine Erscheinung, die aber welchen Wesens ist? Es ist eine Erscheinung des Handelswesens! Muß man sich da noch mit dem Wort Besorger befassen? Das muß man wohl nicht. Es ist ein verschleierndes, apologetisches Wort und für den wissenschaftlichen Ökonomen beinahe so lachhaft wie das Wort Freundlichkeit. Kurz: es ist Schnurrefanz.
    Dem Staatsanwalt, der nun an der Reihe ist, erscheint das ebenso lachhaft, aber sein Standpunkt, und was aus dem an juristischen Ableitungen folgt, ist sehr ernst. Er hat dem Vortrag des Sachverständigen aufmerksam zugehört; der Handelscharakter der Kistschen Unternehmungen dürfte als erwiesen gelten, aber er will auf den besonderen und, um es gleich zu sagen, sinistren Charakter dieses Handels hinaus, den widrigen, den gesetzeswidrigen, und er denkt da nicht an den fehlenden Eintrag ins Register und an die fehlende Lizenz, das heißt, daran denkt er auch, also an Schwarzhandel denkt er schon, an diesen kriminellen Bastard aus der gesellschaftlich notwendigen Zirkulationssphäre, aber er denkt an mehr, an Spekulation nämlich denkt er und an noch mehr: an Obstruktion der volkswirtschaftlichen Planung, an Sabotage der Versorgung, an nichts Kleineres als an ökonomische Konterrevolution.
    Aber, aber, Genosse Staatsanwalt, ist das nicht ein bißchen kräftig: Spekulation, Obstruktion, Sabotage und gar Konterrevolution? Und das alles wegen Kaffeesahne?
    Ganz recht, spricht der Genosse Staatsanwalt, wegen Kaffeesahne, unter anderem. Wegen schätzungsweise elftausend Fläschchen Kaffeesahne, sagen wir: etwas über eine Tonne, Normalabgabepreis etwa fünftausend Mark; Besorgungs-,Beschaffungs-, Vermittlungs- oder Makelgebühr pro Fläschchen ein Groschen, rund tausend freundliche Mark für Herrn Kists Freundlichkeit. Schlimm? Nicht schlimm. Bei all der Lauferei und all den Abgaben an die freundlichen Abgeber und an die rennenden Rentnerfreunde, die eingespannt werden mußten, um auf elftausend Fläschchen zu kommen, war der Gewinn nicht der Rede wert.
    Gläser brachten schon etwas mehr, Gläser voll Gurken, die auf denselben Wegen eingekauft und auf denselben Wegen verteilt wurden. Eine geschätzte Gewinnziffer, die sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, beläuft sich auf zweitausend Mark.
    Schlimm? Nicht schlimm. Viel? Nicht viel und viel zuwenig für Herrn Kist und seine REBEA, was heißt: Rentner-Beschaffungs-Aktion. Leber und ungarische Salami brachten schon wieder etwas mehr – im bereits erwähnten Zeitabschnitt, der, ich erinnere, nur ein Abschnitt war, sechseinhalbtausend Mark.
    Immer noch nicht schlimm? Eigentlich immer noch nicht. Immer noch nicht genug für Herrn Kist und die REBEA? Noch lange nicht; jetzt geht’s erst los, denn jetzt kommen die Industriewaren; um eine lange Liste kurz zu machen, sage ich: sie reichte vom nahtlosen Strumpf bis zum Fernsehapparat; in ihr ist reichlich vorhanden, was bei uns zeitweise oder dauernd knapp oder kaum vorhanden war oder ist. Sie bekommen die Liste, und Sie bekommen jetzt eine Summe zu hören, aber ich sage Ihnen gleich dazu, es ist nur ein nachweisbarer Betrag, die Dunkelziffer dürfte eine ganz andere sein. Hier also jene, auf die wir durch unsere Ermittlungen ein Licht werfen konnten, sie lautet: Zweimillionensechshundertachtzigtausend Mark!
    Selbst der Richter hebt erschrocken die Nase aus dem Papier, obwohl doch er zwecks Vorbereitung auf den Prozeß diese Nase lange genug in diesem Papier gehabt hat, selbst er ist erschrocken, denn die Zahl klingt jetzt anders, als sie sich las; sie klingt wahrhaftig nicht mehr bloß nach Schiebung,sie klingt in der Tat nach Umsturz auf dem Handelssektor, man hat es hier nicht einfach mit einem Diebesknüppel zu tun, sondern mit einem ökonomischen Hebel; dies ist kein kleiner Brocken, es ist die Erklärung einer wirtschaftlichen Disproportion; dieses beschränkte sich nicht auf ein unerhebliches Schwarzmärktchen, es geschah im Republikmaßstab. Und Großvater Kist nickt dazu, und er ist weniger

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