Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
Kaderleiterin, dann werden sie sich hüten zu stören.«
    Carola Krell war, laut Urteil der Frauen, zu groß für eine Frau und, laut Urteil der Männer, zu schlau für eine Frau.
    David teilte beider Gruppen Urteile nicht, denn er war mit Carola befreundet, und er war einmal mehr als befreundet mit ihr gewesen. Nach den geltenden Bräuchen hätte sie deshalb eigentlich nicht Kaderleiterin in einem Unternehmen sein dürfen, dessen Chef er war, aber einmal war sie es ohne sein Zutun geworden, ohne sein Wissen sogar und zu einer Zeit, als er noch in der Abteilung Inneres saß, und zum anderen war das mehr als befreundet längst vorbei, nicht vergessen, aber doch ohne Bedeutung bei der Arbeit, und außerdem hatte niemand im Hause davon etwas bemerkt, ausgenommen der Botenmeister, dem schier nichts entgangen war, aber der war schon lange tot.
    »Was hör ich«, sagte David, »die Kaderleiterin will nicht zur Schulung?«
    »Da hörst du recht«, sagte sie, »ich will nicht, jetzt nicht.«
    »Das ist ja schon eine ermutigende Einschränkung«, sagte er. »Was hindert dich denn jetzt?«
    »Es ist kein Was, kein Gegenstand oder Umstand. Ich selbst hindere mich, oder ein Gefühl, das ich habe.«
    »Dann wird’s kritisch. Gegenstände kann man manchmal aus dem Weg räumen, aber Gefühle … Und nun deine gar.«
    Sie stand auf und riß ein Kalenderblatt ab, und er dachte: Noch nie hab ich ein Weibsbild mit so einem Kreuz gesehen, aber dann verscheuchte er den Gedanken, denn er wußte, der hatte Brüder, und das war eine Bande, die einem zu schaffen machen konnte, und er saß hier zu einem Gespräch mit der Kaderleiterin, die sich nicht schulen lassen wollte.
    Sie sagte: »Ich weiß, wenn ich dich bäte, die Sache zu verschieben, würdest du es tun, ohne weiter zu fragen, aber wir können auch darüber reden; vielleicht zerreden wir dann dieses alberne Gefühl.«
    »Mal sehen, wie albern es ist«, sagte David.
    Sie setzte sich und faltete eine Schwalbe aus dem Kalenderblatt, dann sah sie ihn an und fragte: »Wie alt bin ich?«
    »Du? Du bist sechsundvierzig, glaub ich.«
    »Für einen Menschen, der es einmal für ein entscheidendes Argument gehalten hat, daß ich sechs Jahre älter war als er, klingt das recht unsicher.«
    »Nanu, nanu, Carola«, sagte David, »ich dachte, du bist nicht für Ausgrabungen!«
    Sie fädelte die Schwalbe auf eine Schnur, die sich quer durch ihr Zimmer spannte und an der schon andere Papiervögel hingen, andere Schwalben aus anderen Kalenderblättern. Sie behauptete immer, sie habe kein Zeitgefühl und diese Ketten hülfen ihr, das Verstreichen des Jahres im Auge zu behalten.
    »Entschuldige«, sagte sie, »so war es nicht gemeint. Es hat sich nur in den letzten Tagen so ergeben, daß ich manchmal an damals gedacht habe. Der war nett, hab ich gedacht, er hat nur immer so schrecklich Angst gehabt, ich könnte mich für seine Mutter halten. Und gedacht hab ich das auch nur, weil ich jetzt einen habe, der mir hin und wieder wie Uropa und Urenkel zugleich vorkommt, und wenn du mich jetzt zur Schule schickst, wird es nur noch schlimmer.«
    »Halt«, sagte David, »ich weiß, dein Arthur ist ein Problem, ich ahne es jedenfalls, wenn ich euch so sehe, aber
ich
schicke dich nicht, der Lehrgang ist eine zentrale Sache.«
    »Weiß ich, aber trotzdem brauche ich jetzt deinen Rat und nicht einen zentralen. Arthur ist ein Problem; er ist es für mich, und ich bin es für ihn. Zuerst war ich auch schon eines für ihn, aber jetzt bin ich es auf ganz andere Weise. Was war er, als ich ihn geheiratet habe vor siebzehn Jahren? Da war er Dispatcher bei der VEAB. Und was ist er jetzt? Jetzt ist er Dispatcher bei der VEAB. Und was war ich damals? Packerin in der Rotation. Und jetzt bin ich Kaderleiterin, Redaktion und Rotation alles eingeschlossen. Sensationell? Nee, ich bin nicht die Sensation in der Familie, die Sensation ist Arthur. Siebzehn Jahre Dispatcher bei der VEAB! Ich sehdas Jahr zweitausend kommen, und dann ist der immer noch Dispatcher bei der VEAB.
    Kann er auch von mir aus. Aber ich kann von ihm aus nicht. Wenn es nach ihm geht, kann ich nicht weiter. Ich will ja auch nicht weiter, äußerlich, ich hab hier eine gute Arbeit, aber innerlich, David, innerlich läßt es sich nicht verhindern, daß man weiterkommt. Bleiben wir bei diesen vier Wochen Schule, wo sie mich jetzt zentral hinhaben wollen. Das sind vier Wochen neue Gedanken und Lernen und Diskussionen und neue Bücher. Das hab ich dann doch in mir,

Weitere Kostenlose Bücher