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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Lieblingstag, und eben an diesem habe die Hochzeit sein sollen, aber inzwischen sei nun doch das Kind gewachsen und die Braut nun doch ein wenig zu schwer zu Fuß für die Kirche, und da komme eben der Herr Pastor ins Haus, was machte das alles, Hauptsache glücklich!
    Auf dem Wege zu den glücklichen Hochzeitern holte sie den Pfarrer ein; das war ihr lieb, denn einsame Wanderer neigten zu merkwürdigen Scherzen, wenn ihnen ein achtzehnjähriges Mädchen auf einem Fahrrad vor die Augen kam. Auch dem Pfarrer war die Begleitung lieb, da er Grund zu haben glaubte, sich als ein von allem Heereswesen Verfolgter betrachten zu müssen. Auf dem Weg zur ersten Kriegschristmette hatte ihm ein verirrtes Gewehrgeschoß den Vorderreifen von der Felge gefetzt, und ein anderes Mal war er auf einen Sperrbalken gefahren und hatte sich das Nasenbein gebrochen, und er argwöhnte, seither gebreche es seinen Predigten an Überzeugungskraft, da der übermäßig näselnde Ton, in dem er sie vorzutragen gezwungen war, leicht auf Hochmut schließen lassen könne.
    Eben der aber sei ihm fremd, erklärte er Franziska, und er bat sie, nichts Gegenteiliges zu glauben, obwohl er vor ihr herführe, mit ihr spräche, aber dennoch nicht ein einziges Mal seine Augen auf sie richte; er richte nämlich diese Augen auf den Weg vor ihnen beiden, suche ihn ab nach Tücken und Gefahr, und er habe da schon seine Gründe.
    Sie kamen aber unbeschädigt in das Hochzeitshaus, ein einsames Gehöft mitten in den planen Bördefeldern, wurdenbeide mit Respekt begrüßt und auch mit festlichen Speisen und Tränken und machten sich beide zur gleichen Zeit an die Arbeit.
    Der Vielzahl der Verwandtschaft und der Enge der Räume wegen hatte man eine Art Hilfsaltar unter dem Himmel auf dem Hofe errichtet; dem Pfarrer war das recht, Gott hatte so weniger Mühe, auf die Szene zu blicken, und auch Franziska war es recht, da gab es keine Lichtnot, und eine Bauernhochzeit unter freiem Himmel war etwas für ihre Sammlung.
    Sie hörte der Predigt zu, während sie ihr Stativ aufbaute, und fand sie ganz gut, und die übertriebenen Nasallaute störten sie nicht, da sie von deren physischer Ursache wußte.
    Für die Minute, in der das doppelte Jawort fallen würde, hatte sie einen Standort gewählt, von dem aus sie die ganze Gruppe erfassen konnte, die Gäste, die Eltern, die Zeugen, das Brautpaar und den Pastor und dazu ein Stück vom Haus und ein Scheunendach dahinter und den Bördehimmel darüber.
    Sie hielt den Auslöser locker zwischen den Fingern und hörte gespannt auf den Pfarrer, der die bekannte Formel sprach: »Und so frage ich dich denn …«
    Sie hatte zwar die Hochzeiter gewarnt: Wenn sie just beim Jawort auslöste, würde der Sprecher mit offenem Munde festgehalten werden und nicht jedermann stünde das gut zu Gesicht, aber zumal den Eltern der Braut war es wenig um ästhetische Fragen gegangen, Lessing und Laokoon interessierten sie kaum, ihnen war es nur um das Dokument zu tun, und wahrscheinlich hatten sie ihre Gründe, wenn sie so darauf drangen, einen optischen Beleg für die Zustimmung des Bräutigams in die Hand zu bekommen.
    »Und so frage ich dich denn«, sagte der Pastor, sagte dann aber einen Augenblick lang gar nichts, sagte nicht den Namen der Braut, der hier hätte folgen müssen, verhielt jäh und schien in den Himmel zu starren mit dem ganzen Körper, sagte auch danach noch nichts, schrie aber nun und tat auch dies wieder mit dem ganzen Körper, schrie aus Mund und gebrochener Nase immer noch nicht den Namen der Braut,sondern brüllte in gequetschtem Ton, dem es dennoch, wie sich sogleich erwies, nicht an Überzeugungskraft mangelte, ein Kommandowort, und dieses lautete: »Hinlegen!«
    Hinlegen heißt, so vorgetragen, hinwerfen, und es war niemand in der Hochzeiterschar, der dies nicht gleich begriff, und so lag die Gesellschaft in Frack und Klack im Handumdrehen auf der Erde, die alten Frauen und die überreife Braut zwar nicht ganz so schnell wie die Männer, die zwischen Wolgamündung und norwegischen Fjorden Einschlägiges geübt hatten, und niemand so rasch wie der Prediger, aber als das Bündel brüderlichen Schrifttums – bei Helmstedt an einem Ballon aufgelassen und zwecks besserer Verteilung durch den Zonenhimmel mit einer Sprengladung versehen – in das Scheunendach schlug, hatte die gesamte Festversammlung auf der Hoferde Deckung genommen, nur die Fotografin Franziska stand aufrecht hinter ihrem Apparat und fertigte so das Bild ihres

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