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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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gelungen; die Schärfe hatte unter der Vergrößerung nicht gelitten, die Lichtwerte waren vorbildlich, und in dem Tausendstel einer Sekunde, diesem Zeitpünktchen,war alles von einer explosiven Bewegung. Und noch unsinniger war es, daß sich auch jetzt noch Heiterkeit in ihr regte und daß sie mit dem Zwerchfell äußerste Mühe hatte, als sie den Pastor sah: Ausgerechnet dessen ohnehin schon lädiertes Gesicht wurde nun auch noch in effigie durch den Seitenfalz in zwei scheinbar ungleiche Hälften geteilt.
    Sie und ihr Vater schrieben eine weitere Erklärung; Duplikate davon gingen zu den Akten, und das Original ging an die Illustrierte, aber der Bruder schickte fortan ungerührt Zeitungsausschnitte mit seinen Fotos und seinem Namen darunter, und einmal war auch ein Bild dabei, das zeigte den Agha Khan.
    Zu allem, was so schon seltsam war, kam nun noch dies: Das komisch und böse verworrene Ereignis, der Vorgang, in dem sich Fotografenglück in das Unglück einer Fotografenfamilie verwandelte, der Fall, der sich zur privaten Tragödie zuspitzte, weil ein allzu lebenslustiger Bruder ihn an die Öffentlichkeit hatte bringen müssen, ausgerechnet dieses Geschehen weckte in Franziska die Lust, der Börde ade zu sagen und Berlin guten Tag und guten Tag in fast jeder Redaktion in der östlichen Hälfte der Stadt.
    Sie gab sich nicht Rechenschaft und vermied es, vor sich selbst Gründe anzuführen, denn die Rede kam dann rasch auf den Vater, den sie in seinem Kummer zurückließ mit nun noch mehr Kummer, oder sie kam auf die Immoralität des Gewerbes, dem sie jetzt in der Spur ihres Bruders zustrebte, als wäre nicht gerade diese Spur Beweis genug, daß Gesinnungsschaden wohl möglich war auf solchem Wege. Und geradezu peinlich war ihr der Gedanke, der sich auch einmal gemeldet hatte in diesem Disputansatz, der Gedanke: sie könne im östlichen Journalismus ein Gegenbild herstellen wollen zum nunmehr westlichen Grewe-Bruder.
    Um sich über diese Peinlichkeit hinwegzuhelfen, hatte sie sich Johanna von Weißleben gescholten, Ehrenretterin der DDR, die fromme Jungfer mit dem sauberen Objektiv; das gab einen großen Lacher. Seit wann war denn sie politisch; wiekam denn sie ins Flattergewand der Patriotin; wo kam denn diese Fahne her? Schulunterricht hatte sie mit dem Bescheid versehen, sie habe sich zum Kleinbürgertum zu zählen; Bücher hatten die Auskunft hinzugefügt, dies sei nichts Gutes; Filme lieferten den Beleg: Man schwankte dann sehr.
    Schwanken war, wenn sie es recht verstand, politischer Neigungswandel, je nachdem. Dem war leicht zu entkommen, fand sie: Man brauchte sich nur aller solcher Neigungen zu enthalten. Keine Neigung, kein Wandel, kein Schwanken!
    Und wie der Jugendverband in Weißleben war, wurden auch Neigungen nicht weiter verlangt; sauberes Blauhemd, pünktliche Beitragsentrichtung, kein Murren vorm Kartoffeleinsatz, das machte aus Franziska Grewe eine zuverlässige Jugendfreundin, und daß sie vom Kartoffeleinsatz fröhliche Bilder für die Kreiszeitung lieferte, machte eine aktive solche aus ihr, und nachdem das Zentralorgan zwei ihrer erfrischenden Dokumente nachgedruckt hatte, fand sie sich in einer gewählten Leitung wieder.
    Ihre Kunstfertigkeit, das Jugendleben auf Fotos lebhaft erscheinen zu lassen, trug ihr die Reputation guter Gesinnung ein, und als sie gar die Anleitung eines Zirkels Junger Knipser, genannt Die Neue Optik, übernahm, war sie reif, zum Treffen der Jugend in Berlin delegiert zu werden.
    Die Einladung war noch vor dem schrecklichen Hochzeitstag und dem schmählichen Abgang des Bruders und dem Besuch der Untersuchungsorgane und der Publikation des entsetzlichen Bildes ausgesprochen worden, doch als Franziska den Kreissekretär auf diese Vorgänge verwies und ihn fragte, ob es nicht besser sei, sie nun zu Hause zu lassen, winkte der ab; die Sache sei geklärt. »Alles klar, Mädchen, was kannst du für deinen Bruder, und wenn du nun schon wegwillst von hier und nach Berlin, dann kannst du dich doch gleich umsehen; ich kenn da einen beim Magazin für junge Menschen, dem schreib ich einen Brief, kannst du mitnehmen; aber wenn du diesmal wieder so Bombenbilder machst, dann halt sie fest!«
    Da es sie nicht zu sehr in ein Magazin für junge Menschen drängte, stahl sie sich hin und wieder vom Treffen fort und besuchte die Redaktionen von Zeitungen so mehr für alle Menschen, aber so wohlgefällig man sie dort auch musterte, man war mit Fotografen versehen, und nun eine

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