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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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seine Hände gegen die Ziegelsteine, lehnte sich vor und stellte sich auf Zehenspitzen, um Sheilas Haus sehen zu können.
    Stanley stöhnte auf.
    Jenseits des Rasens und des Innenhofs stand kein Haus mehr.
    Dort sah es aus, als ob ein Riese alles niedergetrampelt hätte.
    Nur ein Haufen Schutt, von eingestürzten Wänden im Zaum gehalten, war übrig geblieben - ein Abfallberg aus gesplittertem Holz, zerfetzter Dachpappe, roten Ziegeln, Stuckbrocken und Gipsplatten. Hier und da ragten Rohre heraus, und ein paar Leitungen führten ins Nichts.
    Vielleicht war Sheila nicht im Haus gewesen, als es losging, versuchte sich Stanley zu beruhigen. Alles Mögliche konnte passiert sein. Vielleicht hatte sie sich entschieden,
ein paar Extrakilometer zu laufen. Vielleicht hatte sie noch was zu erledigen gehabt.
    Vielleicht war sie im Haus und noch immer am Leben.
    Und wenn ich sie rette, wird sie mir so dankbar sein, dass …
    Wenn sie im Haus war, als es einstürzte, muss sie tot sein.
    Stanley schloss die Augen. »Sie ist nicht tot«, flüsterte er. »Niemals. Ihr ist nichts passiert, und ich werde sie retten.«
    Er öffnete die Augen, hakte die Hände auf der Oberseite der Mauer ein und zog sich hoch. Sein Bauch, sein Unterleib und seine Schenkel schabten über die rauen Ziegel. Es gelang ihm, sein Bein über die Mauer zu wuchten. Kurz darauf stand er aufrecht auf der Mauer.
    War doch nichts dabei!
    Das hätte ich schon vor Monaten tun sollen. Ich hätte über die Mauer klettern und mir alles aus nächster Nähe anschauen sollen.
    Aber er hatte sich nie getraut. Hatte gefürchtet, erwischt zu werden.
    Von Mutter. Oder von Sheilas Ehemann.
    Deshalb hatte er sich nie mehr zugetraut, als über den Rand der Mauer zu spähen. Nachts, nachdem Mutter schon im Bett war. Tagsüber, zu den seltenen Gelegenheiten, an denen Mutter ohne ihn das Haus verlassen hatte.
    Er hatte eine Menge gesehen, aber nie genug. Nicht annähernd genug.
    Von nun an würde ihm keine Mutter mehr im Weg stehen. Er konnte tun, was immer er wollte.

    Aber jetzt war es zu spät. Dafür hatte das Erdbeben gesorgt.
    Das ist einfach nicht fair, dachte Stanley.
    Von seinem Ausguck auf der Mauer konnte er erkennen, dass die Häuser zu beiden Seiten von Sheilas Grundstück noch standen. Die Fenster waren zerstört, es gab Risse in den Wänden, und möglicherweise hatten sie ernsthaftere Schäden davongetragen, die Stanley nicht erkennen konnte. Aber sie waren nicht eingestürzt.
    Warum war ihr Haus eingestürzt?
    In dem Haus zu ihrer Linken wohnte nicht einmal jemand. Zwei Monate hatte es leergestanden, mit einem Schild »Zu Verkaufen« im Vorgarten. Und bei dem Pärchen, das im Haus rechts von Sheila lebte, hatten beide Vollzeitjobs. Wahrscheinlich waren sie nicht mal zu Hause gewesen, als das Beben einsetzte.
    In zwei von drei Fällen war niemand zu Hause. Das Beben hatte das einzige Haus zerstört, in dem sich jemand befand.
    Und das war nicht irgendjemand . Es war Sheila.
    Meine Sheila.
    Stanley sprang. Noch im Sprung wurde ihm klar, dass er sich besser von der Mauer hätte herabgleiten lassen, statt zu springen. Allerdings war es dafür ein bisschen zu spät.
    Seine Füße schlugen auf dem Boden auf, und der Schmerz schoss durch beide Beine. Er stolperte vorwärts, verlor einen Mokassin und fiel. Er landete auf seinen Knien und rutschte kopfüber durch das Gras.
    Das Gras fühlte sich dick und weich und sehr nass an. Stanley blieb einige Sekunden liegen, dann richtete er
sich langsam auf. Die Vorderseite seines Schlafanzugs klebte an ihm. An den Stellen, wo der hellblaue Stoff seine Haut berührte, war er fast durchsichtig.
    Er ging zurück zu seinem Mokassin, schlüpfte hinein und machte sich zur Ruine von Sheilas Haus auf.
    Das Sonnenlicht auf der Veranda ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Die Veranda sah ganz gut aus. Normal, so wie immer. Da standen der Grill, der Picknicktisch mit dem Blumentopf in der Mitte und einer langen Bank auf jeder Seite sowie der Liegestuhl mit seinem ausgebleichten grünen Kissen.
    Viermal hatte er in den letzten Wochen über die Mauer gespäht und Sheila in jenem Liegestuhl ausgestreckt vorgefunden. Sie hatte einen knappen weißen Bikini getragen. Sie hatte sich mit Sonnenöl eingerieben, aber dabei nicht den Bereich zwischen ihren Schultern erreichen können.
    Nur zweimal hatte er ihre Tochter beim Sonnenbaden gesehen. Ihr Bikini war orange. Verglichen mit Sheila wirkte sie dürr. Haut und Knochen. Hübsch, aber nicht in derselben

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