Das Inferno Roman
sofort da rüber und unternimmst etwas, Stanley!«
»Was soll ich denn machen?«
»Du sagst denen die Meinung. Die haben kein Recht dazu. Nichts in der Welt gibt ihnen das Recht, um diese Uhrzeit so einen gotterbärmlichen Lärm zu machen.«
»Die werden bald fertig sein.«
»Stanley!«
»Das wird sowieso nichts nützen. Die verstehen mich doch gar nicht.«
Ihre Augen verengten sich. »Ich glaube, du hast Recht. Scheiß Bohnenfresser. Die haben nichts in unserem Land zu suchen, wenn sie noch nicht einmal die Sprache …«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Ruf die Polizei.«
»Die Polizei ? Ich rufe doch nicht die Polizei wegen eines Laubbläsers.«
»Dann mache ich das.« Mit verächtlichem Gesichtsausdruck hatte sie sich zum Telefon geschoben. Als sie Stanley passiert hatte, blickte sie zu ihm zurück. »Du bist zu nichts zu gebrauchen, weißt du das? Du hast keinen Mumm. Dein Vater war ein Perverser und kompletter Schwachkopf, aber wenigstens hatte er Mumm. Du nicht. Ich habe noch nie so einen rückgratlosen Schwächling gesehen.«
Im Nachhinein musste Stanley lächeln.
Immerhin hatte ich den Mumm, dir den Schädel einzuschlagen, du Schlampe.
Dann hörte er erneut eine Stimme. Dieses Mal schien sie sich ihren Weg zu bahnen durch den Krach-Tumult um ihn herum. Eine Frauenstimme rief: »Hey!«
Von irgendwo vor Stanley.
Von irgendwo aus dem Schutthaufen.
Seine wildesten Hoffnungen keimten wieder auf.
»Hallo!«, rief er.
»Hilfe!«, kam es zurück. »Hillllfe!«
Er ging bis zum Rand des Schutthaufens vor. Zu seiner Linken ragte ein Teil eines Schornsteins aus dem Chaos. Der Kamin selbst war verschüttet, aber das Gemälde
einer Seenlandschaft hing noch an dem, was vom Kaminsims übrig war. Das Bild hing nur ein wenig schief.
Sonst war keine Kunst zu entdecken. Genauso wenig konnte Stanley Möbelstücke ausmachen, Bücher, Kleidung, Schmuck oder anderen Schnickschnack. Abgesehen vom Gemälde waren die einzigen Anzeichen, dass das Haus bewohnt gewesen war, Kühlschrank und Herd, die immer noch aufrecht dort standen, wo einmal die Küche gewesen sein musste - nahe der rechten vorderen Ecke. Anscheinend waren sämtliche Besitztümer Sheilas und ihrer Familie unter den eingestürzten Wänden, Decken und Dachteilen verschüttet gegangen. Wo sich unter dem Schutt Berge und Täler abzeichneten, würden sich Betten, Sofas, Kommoden und Schränke finden, nahm er an.
Unter einem der Schutthügel könnte sich Sheila befinden.
»Wo sind Sie?«, schrie Stanley.
»Hier unten.«
Die Stimme schien von rechts vor ihm zu kommen - aus der Nähe des Herds? Als das Beben ausbrach, hatte er sie sich vorgestellt, wie sie ein Bad nahm oder duschte, aber vielleicht war sie auch in der Küche gewesen.
»Schon unterwegs«, rief Stanley. Er streckte sein Bein aus und setzte seinen Fuß vorsichtig auf einen schiefen Stuckbrocken, fragte sich einen Moment, ob der ihn tragen würde, und stellte sich dann darauf. Der Brocken wackelte, aber Stanley kippte nicht um.
Von dort oben suchte er die Gegend um sich herum ab.
Aus der eingestürzten Hausruine ragten überall Fensterglasreste und Nägel heraus. Die dünnen Ledersohlen
seiner Mokassins würden vielleicht seine Füße vor Schnitten schützen können, aber …
Tritt halt nicht in einen Nagel, ermahnte er sich, als er den nächsten Schritt wagte.
Und fall um Gottes willen nicht hin.
Er breitete zur besseren Balance die Arme aus.
Er suchte sich vorsichtig seinen Weg und bewegte sich langsam vorwärts, immer auf der Hut vor Brocken oder Brettern, die nicht stabil wirkten. Manche brachen trotzdem auseinander. Manche wackelten bedrohlich, andere gaben nach und ließen ihn bis zu den Knöcheln in Dachlatten und Gips versinken.
»Sind Sie da?«, war die Stimme zu hören.
Es musste Sheilas Stimme sein. Zwar hörte er sie jetzt lauter und kräftiger als zuvor, aber der ganze Lärm um ihn herum war immer noch stark. Außerdem hatte er sie nur ein paar Mal sprechen gehört. Er konnte nicht sicher sein, dass es Sheila war.
Muss aber, dachte er. Es ist ihr Haus, wer sollte es sonst sein?
»Ich komme«, antwortete er. »Sind Sie verletzt?«
»Ich glaube nicht. Aber ich bin hier eingeklemmt. Ich kann mich nicht bewegen.«
Ihre Stimme schien nicht aus dem Küchenbereich zu kommen. Die grobe Richtung stimmte, aber Sheila war näher. Vielleicht drei oder vier Meter diesseits des Herds.
Sehen konnte er sie nicht. Zwischen Stanley und dem Ort, an dem sich Sheila befinden musste,
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