Das Inferno Roman
hatte er gefragt.
»Weg.«
Er hatte den Kopf geschüttelt und war losgefahren.
Die Gegend im Valley hatte es schwer erwischt, so viel war klar. Aber was war mit dem Rest von Los Angeles? Wenn das Epizentrum irgendwo hier in der Gegend gelegen hatte, war L. A. vielleicht mit einem blauen Auge davongekommen. Vielleicht war zu Hause nur eine leichte Erschütterung zu spüren gewesen, wie von einem großen Laster, der am Haus vorbeifährt. Vielleicht wusste Sheila gar nichts von dem Beben, bis sie den Kronleuchter an der Decke über dem Esstisch wackeln sah.
Der Kronleuchter war so etwas wie der Seismograf ihrer Wohnung.
Ja, das war eine 4,2 auf der Kronleuchter-Skala.
»Es ist schon das vierte«, hatte Mary gesagt.
»Was? Wovon reden …«
»Vier Stück hat man mir schon geklaut. Und sie schlagen dabei immer die Scheibe ein.«
Ach so, Autoradios.
»Ich habe es sogar schon damit versucht, den Wagen über Nacht nicht abzuschließen. Aber sie haben trotzdem die Scheibe eingeschlagen. Also habe ich es aufgegeben. Nach dem vierten habe ich mir einfach kein neues gekauft. Die würden es ja doch nur wieder klauen. Jetzt habe ich kein Radio mehr, aber die Scheibe wurde trotzdem eingeschlagen.« Sie hatte schnell wieder weggesehen. »Ich liebe diesen Wagen«, hatte sie gesagt, »aber die Leute machen immer … alles kaputt. Warum können die Menschen nicht nett sein?«
»Die Menschen sind in Ordnung«, hatte Clint geantwortet. »Jedenfalls neun von zehn.« Zwei Blocks vor ihnen schien die Straße verstopft. Clint könnte einen Umweg nehmen. Aber in welche Richtung? Eher rechts.
»Das Problem ist«, fuhr er fort, »neun von zehn bedeutet, dass von hundert Menschen zehn Arschlöcher sind. Und die versauen es für den ganzen Rest. Deshalb steht mein Wagen eingeschlossen auf einem Parkdeck, und Sie haben kein Radio mehr. Ich würde wirklich gerne wissen, was jetzt mit diesem Erdbeben los ist. Ich habe Frau und Kind drüben in West L. A. Ich will wissen, ob es West L. A. überhaupt noch gibt , verdammt nochmal!«
Er war rechts abgebogen.
»Wo fahren Sie hin?«, hatte Mary gefragt.
»Laurel Canyon, hoffe ich. Sie wissen nicht zufällig, wie man von hier aus hinkommt?«
»Wir müssen auf den Golden State und …«
»Nicht heute.«
Das war Clints üblicher Nachhauseweg: auf dem Golden State Freeway in südlicher Richtung. Nach Süden auf dem Golden State, dann westlich auf dem Ventura Freeway bis zur Abfahrt Laurel Canyon - ungefähr zehn Minuten Fahrt auf den Freeways. Zehn Minuten für etwa sechzehn Kilometer im fließenden Nachmittagsverkehr.
Aber das Beben hatte um acht Uhr zwanzig eingesetzt, mitten in der Pendler-Rushhour.
Auch ohne Erdbeben war jeder Freeway in der Gegend von Los Angeles so überfüllt, dass die Autos Stoßstange an Stoßstange standen und es kaum ein Vorwärtskommen gab. Das Beben hatte die Freeways wahrscheinlich in Parkplätze verwandelt.
Clint war klug genug, sich von ihnen fernzuhalten.
Aber er war sich nicht sicher gewesen, welche Verbindungsstraßen er überhaupt nehmen sollte, also hatte er seinen Weg nach dem Zufallsprinzip gewählt, Gegenden mit zähflüssigem Verkehr gemieden und versucht, weiter nach Süden und Westen zu kommen.
Manchmal hatte er richtig gewählt, manchmal falsch.
Nachdem er in eine Sackgasse eingebogen war, drehte er und fragte: »Sie kennen sich hier überhaupt nicht aus?«
»Nicht wirklich«, gab sie zu.
»Haben Sie eine Straßenkarte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sind Sie sicher?«
Das gibt es doch nicht, dass jemand hier keine Karte hat!
»Ja, ich … ich fahre normalerweise nirgendwohin, wo ich mich nicht auskenne. Tut mir leid.«
»Ist schon okay.«
»Haben Sie denn Karten?«
»Klar, aber die sind in meinem Wagen.« Wo sie hingehören, dachte er.
»Meinen Sie, wir sollten zurückfahren und sie holen?«
Clint schüttelte den Kopf.
Wie lange waren sie schon gefahren? Zehn Minuten?
Mindestens ebenso lange würde es dauern, bis sie bei den Karten wären - wenn er das Firmengebäude überhaupt finden würde.
»Ich glaube nicht, dass ich den Weg zurück finden würde, selbst wenn ich wollte«, sagte er. »Außerdem würde es zu lange dauern. Jede Minute … nein.«
Auf die Minuten, die er durch Umkehr verlor, könnte es ankommen - als Verspätung, die über Wohl oder Weh entschied.
Hätte ich nur mehr Zeit …
Clint musste nach Hause. Er musste bei Sheila und Barbara sein. Musste sie mit eigenen Augen sehen und sicher sein, dass es
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