Das Inferno Roman
etwas passiert ist …
7
Stanley genoss es, Sheila auszubuddeln. Er nahm sich Zeit, schaufelte mit beiden Händen den Schutt weg, hob hier einen Brocken auf, dort ein Brett, einen abgebrochenen Deckenbalken, Stücke der eingestürzten Wand.
Zwar warf er die kleineren Stücke einfach beiseite, doch die größeren Brocken hob er an, trug sie ein paar Schritte und setzte sie vorsichtig ab.
Langsame Arbeit. Aufregende Arbeit.
Als Sheila gefragt hatte, ob er sich beeilen könne, hatte er ihr erklärt: »Es ist ziemlich brenzlig hier oben. Ich will keinen Erdrutsch auslösen.«
»Ich weiß, dass Sie Ihr Bestes geben.«
Er gab wirklich sein Bestes - um das Material leise aus dem Weg zu schaffen. Sollte Sheila denken, er wäre so vorsichtig, um sie vor Verletzungen durch herabfallende Schuttbrocken zu bewahren. Seine Absicht war eher, sein Projekt geheim zu halten. Wenn er die großen Brocken beiseitewarf, würde das einen höllischen Lärm machen.
Zwar schützten ihn die Überreste der Wände vor den etwaigen Blicken der Leute, die vor dem Haus vorbeilaufen könnten, aber laute Geräusche würden Aufmerksamkeit erwecken. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war ein Eindringling - ein neugieriger Nachbar, der sehen wollte, was passiert war, oder Hilfe anbot.
Sheila gehört mir.
Er hatte den Schutt bis auf den Boden abtragen müssen, bis er sie sehen konnte.
Tief unten und außer Reichweite.
Die Badewanne war anscheinend tatsächlich in den Keller gefallen, genau wie Sheila es beschrieben hatte. Der Wannenrand schien einen halben Meter tiefer zu liegen als der Fußboden. Und sie befand sich noch tiefer unten, auf dem Boden der Badewanne.
Die meisten Schuttreste hatten sich über dem Wannenrand aufgetürmt wie ein Dach.
Als Stanley den Schutt abtrug, konnte er Stück für Stück mehr von Sheila erkennen. Erst einen Fuß, dann ein Knie, schließlich eine Schulter.
Sie war wie ein wundersames Puzzle, das Stanley zusammensetzte und das mit jedem Brocken wuchs, den er abdeckte.
Ein Schenkel, eine Hand zwischen den Beinen, ihr Kinn, eine Brust, die halb von einem Unterarm verdeckt wurde.
Sonnenbeschienene Körperteile, schmutzig und von Staub überzogen, übersät von Gipskrümeln und Holzsplittern. Stanley fragte sich, warum sie sich den Dreck nicht von der Haut gewischt hatte. Vielleicht war sie dankbar für die zweite Haut. Vielleicht gab sie ihr das Gefühl, nicht völlig nackt zu sein.
Als er sich an das Ende der Wanne herangearbeitet hatte, konnte er ihr Gesicht sehen. Aus jedem anderen Winkel war der Blick darauf durch einen Balken verdeckt, der wie ein langes breites Regalbrett über der Wanne lag.
Er fragte sich, wie viel sie von ihm sehen konnte.
Wenn ich ihre Augen nicht sehen kann, kann sie meine auch nicht sehen.
Trotzdem wagte er zur Sicherheit nur kurze Blicke auf Sheila. Er versuchte, sie nicht anzustarren. Und er übte sich in Smalltalk. »Jetzt dauert es nur noch ein Momentchen … Der war schwerer, als er aussah … Das ist ja der reinste Leistungssport.« Er tat so, als habe er gar nicht bemerkt - oder als sei es ihm gleichgültig -, dass sie dort unten nackt ausgestreckt vor ihm lag.
Auch sie redete, als ob ihre Nacktheit sie nicht weiter beunruhigte. Aber sie behielt ihre Hand zwischen den Beinen und den Arm über ihren Brüsten.
Stanley benötigte beide Hände für seine Arbeit und hatte deshalb keine mehr frei, um die hervorstehende Vorderseite seiner Schlafanzughose zu verbergen. Die meiste Zeit war er vornübergebeugt oder auf den Knien. Vielleicht hatte sie die Beule in der Hose nicht bemerkt.
Vielleicht aber doch.
Vielleicht macht es sie an.
Stanley überkam das Verlangen, die Hosenknöpfe zu öffnen.
Damit sie mal was zu sehen bekommt.
Nein!
Sie könnte anfangen zu schreien, und vielleicht käme dann jemand …
Besser ganz normal und freundlich bleiben, sagte er sich. Warten, bis die Zeit reif ist.
Bald war Sheila freigelegt.
Bis auf die Balken.
Stanley hatte sie sich bis zum Schluss aufgehoben, weil er wusste, dass sie ihm die meiste Arbeit machen würden.
Er schätzte, dass es sich um Stützbalken für den Estrich handelte, die gebrochen und herabgefallen waren. Einer lag über dem entfernten Ende der Wanne, oberhalb von Sheilas Gesicht. Der andere Balken wurde vom rechten Wannenrand abgestützt und verlief dann abwärts, wo er von der linken Wannenseite eingeklemmt wurde. So wie er lag, hätte der Balken eigentlich beim Fall Sheilas Bein an der Hüfte abtrennen
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