Das Inferno Roman
das Mädchen nicht atmet, ist es sowieso schon tot.«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht atmet. Ich sage nur, dass fünf Minuten manchmal den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen können. Zum Beispiel wäre es möglich , dass das Mädchen blutet. Irgendwo unter dem Kamin, wo ich es nicht sehen konnte? Wollen Sie, dass sie verblutet, während wir an dem Holz rumsägen, um Sheila zu befreien - die nicht in unmittelbarer Gefahr und noch nicht einmal verletzt ist?«
»Wer sagt denn, dass sie nicht in Gefahr ist?«
Stanley drehte sich um, lief rückwärts und betrachtete dabei den Himmel. Vom benachbarten Haus stieg immer noch Rauch auf, aber nicht mehr so stark wie zuvor. In unmittelbarer Nähe gab es ansonsten keine Brände, die Anlass zur Sorge gaben.
»Solange kein stärkerer Wind aufkommt, der die Flammen hierhertreibt …«
»Es geht mir nicht um das Feuer …«
»Um was dann?«
»Sie wissen schon, die Leute. Was, wenn jemand sie dort unten findet? Ich meine, sie ist splitternackt.«
Nicht ganz, dachte Stanley. Wegen dir.
»Ich meine, Leute könnten auf dumme Gedanken kommen. Sie könnten ihr was antun , oder nicht?«
»Sie machen sich zu viele Gedanken, Ben.«
»Es gibt’ne Menge kranker Typen auf dieser Welt. Vergewaltiger und Perverse …«
»Ich glaube nicht, dass da für Sheila eine Gefahr besteht.«
»Das glauben Sie also nicht, hm?«, lächelte Ben süffisant.
»Nee. Erst mal müsste sie jemand finden . Dann müsste er an sie rankommen. Da hat ein Perverser schon ganz schön gelitten, sollte er keine Säge bei sich tragen.« Stanley hob seine Säge und wedelte damit in der Luft. »Noch ein Grund, warum wir die mitgenommen haben.«
»Ja, klar.«
»Du kannst sie nicht vergewaltigen, wenn du nicht an sie rankommst. Und ohne Säge kommst du nicht an sie ran.«
»Schätze, Sie haben Recht.«
»Sicher habe ich. Bis wir zurück sind, wird niemand Sheila etwas antun.«
17
Obwohl sie langsam liefen, damit Mary nicht zu weit zurückfiel, kamen sie besser voran als der Verkehr neben ihnen auf dem Laurel Canyon Boulevard. Die Autos und Laster auf den Fahrspuren Richtung Norden bewegten sich sehr langsam. Die Fahrzeuge, die wie Clint und seine Begleiterinnen nach Süden unterwegs waren, verharrten oft minutenlang an einer Stelle, bevor sie sich um Bruchteile eines Meters vorwärtsschieben konnten und wieder halten mussten.
»Da vorn muss richtig was los sein«, sagte Clint.
»Aber hallo«, stimmte Em zu. »Ich wette, das liegt am Ventura Boulevard. Das ist schon unter normalen Umständen der reinste Zoo. Aber jetzt muss es dort gerammelt voll sein.«
»Hey«, rief Mary, »wartet auf mich.«
Sie drehten sich zu ihr um und warteten, bis Mary in gemütlichem Schritt auf sie zukam. Im Gehen stopfte sie ihre Pepsi-Flasche wieder zurück in die Handtasche.
»Wahrscheinlich hat sie angehalten und einen Schluck genommen«, stellte Clint fest.
»Gut, dass wir es nicht eilig haben«, brummelte Em und zeigte ihm ein listiges Grinsen.
»Sei nett«, sagte er.
»Aber sie hat schon ein bisschen was von ihrer vorlauten Art verloren, oder?«
»Aber hallo«, lachte Clint leise.
Marys Haar hing in feuchten, schlaffen Strähnen herab. Von ihrem geröteten Gesicht tropfte der Schweiß. Das Gewicht ihrer Handtasche ließ die weiße Bluse einseitig von ihrer Schulter herabhängen. Die Bluse wirkte durchweicht. Sie klebte an ihrer Haut und am BH, der durchschien, als ob die Hitze den Blusenstoff eingeschmolzen hätte. Die Bluse war an manchen Stellen aus dem Rock gerutscht und hing schlampig herunter. Sogar ihr Rock schien schief zu sitzen.
»Wer hat den Ringkampf gewonnen?«, rief Em ihr zu.
»Sehr witzig. Du bist schon ein Riesenspaßvogel, du kleine Göre.«
»Das ist so meine Art.«
»Em«, mahnte Clint. »Hey.«
»Ich weiß, ›sei nett‹.«
Mary zottelte heran und schaute die beiden verletzt an. »Ich würde mir wirklich wünschen, ihr würdet nicht so rennen.«
Mit einem Achselzucken sagte Em: »Ich weiß nicht, wie es Mr. Banner geht, aber ich laufe so langsam ich kann.«
»Es ist nicht meine Schuld, dass ich nicht so schnell laufen kann«, sagte Mary. »Und wenn wir dich nicht nach Hause gefahren hätten, wo diese beiden Schwachsinnigen meinen Wagen zerstört haben, müssten wir das alles jetzt nicht auf uns nehmen. Wir stecken nur in diesem Schlamassel, weil wir nett zu dir sein wollten.«
»Hey«, sagte Clint, »das ist jetzt völlig unnötig.«
»Genau«, fügte Em hinzu.
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