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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Hauses - aus entdeckt. Unglaublich, wie weit man von dort aus sehen konnte. Obwohl das Haus einstöckig war, schien er über der Nachbarschaft zu thronen, wenn er auf dem Dach stand.
    Das liegt daran, dass ich stehe. Dann sind meine Augen einen Meter achtzig höher als alles andere.
    Er war oft dort gewesen. Aber nicht annähernd oft genug. Und er hatte sich nie lange zu bleiben getraut. Das Problem war, dass sein Aussichtspunkt auf dem Dach nicht nur ihm einen Rundblick über die Nachbarschaft gewährte. Auch er war für die Nachbarn gut zu sehen.
    Auf dem von einer kniehohen Umrandung gesäumten Flachdach konnte er sich nur verstecken, wenn er sich hinlegte. Darüber hinaus waren oft genug Hubschrauber
über ihm am Himmel. Er wagte es nicht, sein Fernglas mit aufs Dach zu nehmen. Noch weniger traute er sich, dort in Ruhe die umliegenden Häuser zu beobachten.
    Dort oben hatte er keinerlei Privatsphäre.
    Trotzdem war er immer mal wieder für ein paar Minuten aufs Dach gestiegen - meistens hatte er einen Eimer flüssige Asphalt-Dachabdichtung mitgenommen, um ein Alibi zu haben. Bei diesen Ausflügen hatte er die Aussicht genossen: den Blick auf den Garten seiner Mutter, jenseits der Ziegelsteinmauer dann auf Sheilas Garten und Innenhof, ihren Hintereingang und die Fenster, auf die Gärten links und rechts von Sheilas Haus. Dann kam der Hinterhof der Taylors, seiner nächsten Nachbarn in nördlicher Richtung, die Donaldsons folgten auf der anderen Seite der Taylors, Richtung Süden fiel der Blick auf das Haus von Judy und Herb und auf das Grundstück der Bensons daneben.
    Es waren die Bensons, die den Pool hatten.
    Ihr Pool war wie ein gut gehütetes Geheimnis, das sich hinter ihrem Stuckhaus verbarg, versteckt im eingezäunten Garten hinter dem Rotholz-Tor der Einfahrt. Hätte Stanley ihn nicht vom Dach aus entdeckt, hätte er wohl nie etwas von der Existenz des Pools erfahren.
    Im Pool hatte er nie jemanden gesehen, ebenso wenig auf den gepolsterten Liegestühlen daneben.
    Nicht, dass er besonders viel Zeit damit verbracht hätte, dort nach jemandem Ausschau zu halten. Seine Zeit auf dem Dach ging komplett dafür drauf, Sheilas Haus im Auge zu behalten. In der Hoffnung, einen Blick auf Sheila zu erhaschen, oder wenigstens Barbara. Zwar konnte das Mädchen es nicht mit ihrer Mutter aufnehmen,
aber sie war hübsch genug für eine lohnende Beobachtung. Nach Sheila war sie die Beste in der Gegend. Judy folgte auf Platz drei.
    Bis jetzt hatten ihn die Bensons nie interessiert. Er wusste, dass sie ein Paar mittleren Alters waren, das selten zu Hause zu sein schien. Judy hatte mal erwähnt, sie wären Lehrer. Stanley bezweifelte, dass er einen der beiden wiedererkennen würde, aber er wusste noch, dass er Mrs. Benson einmal gesehen und sie als ziemlich unansehnlich eingestuft hatte.
    Und er wusste, dass sie einen hübschen Swimmingpool in ihrem Garten hatten.
    Sie müssen weg sein, dachte er. Barbara ist in der Schule, das hatte Sheila gesagt. Wenn diese Bensons Lehrer waren, müssten sie ebenfalls in der Schule sein.
    Vielleicht.
    »Egal«, sagte er.
    Er zog seine abgeschnittenen Schlafanzughosen wieder an. Als er den Bund zuknöpfte, bemerkte er, dass die Vorderseite voller Blutspritzer war. Viel Blut war es nicht. Er hatte genug Kratzer und kleinere Schnitte am Körper, um das zu erklären.
    Er spielte mit dem Gedanken, seinen Hosenstall offen zu lassen.
    Wäre dumm, entschied er. Man sollte nicht zu verdächtig aussehen.
    Also packte er alles ein und schloss den mittleren Knopf der Hosenlade. Dann stieg er in seine Mokassins. Er trug seine Säge zum Fenster und wischte mit dem Vorhang das Blut von Sägeblatt und Griff.
    War’s das?, fragte er sich.
    Glaube schon.

    Er führte die Säge zur Stirn und salutierte der entstellten Leiche auf dem Boden.
    »Mach’s gut, Ben - schön, dich kennengelernt zu haben. Es war mir ein Fest. Ein Vergnügen.« Er lachte, ging zur Eingangstür und öffnete sie einen Spalt weit, um hinauszuspähen.
    Es war niemand zu sehen. Er trat ins Freie. Als er den Hof durchquerte, sah er sich in alle Richtungen um. Hier und da konnte er ein paar Leute erkennen, die in einiger Entfernung herumlungerten. Sie waren zu weit weg, als dass er sich Gedanken hätte machen müssen - so weit weg, dass sie für ihn überhaupt nicht existierten.
    Geräusche konnte er ebenfalls in der Entfernung wahrnehmen: Sirenen und Alarmanlagen, Knallen, Motorgeräusche von Autos, Lastern, Flugzeugen und Hubschraubern.

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