Das Inferno
grinste und rieb sich die Hände wie jemand, der sich auf ein exquisites Vergnügen freute. Lisa gab sich unbeeindruckt. Ihr ging es nur darum, Zeit zu gewinnen.
»Stimmt. Ich habe dich in meiner Gewalt«, sagte er und grinste abermals. »Wie sehr, das wirst du gleich spüren.«
»Was wollen Sie sonst noch wissen?«
»Wie viele Leute sind mit Tweed hier in Franzburg?«
Der Ignorant kann ja nicht einmal »Flensburg« richtig aussprechen, dachte Lisa und überlegte fieberhaft, was für eine Zahl sie ihm nennen sollte. War sie zu hoch, bekam er es vielleicht mit der Angst zu tun und floh. Aber vorher würde er kurzen Prozess mit ihr machen.
»Außer mir ist nur noch ein Mann bei ihm«, sagte sie. »Die beiden sind zum Mittagessen gegangen.«
»Nur einer?«, sagte Delgado und ballte die Faust. »Dem breche ich mit bloßen Händen das Genick.«
»Er hat eine Waffe.«
»Eine Waffe!« Delgado lachte höhnisch auf und zog ein langes Messer aus dem Hosenbund. »Dann schneide ich ihn in ganz kleine Stücke.«
»Wie Sie meinen.«
»Und jetzt will ich die Wahrheit wissen«, brüllte Delgado sie an. »Oder soll ich dir dein hübsches Gesicht verbrennen?«
Aus seiner Jacke, die er auf den Tisch geworfen hatte, holte er ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten und eine Schachtel mit Zündhölzern. Lisa spürte, wie blanke Angst in ihr aufstieg, die aber sofort wieder von dem Wunsch, Delgado umzubringen, überlagert wurde. Delgado steckte sich eine Zigarette an und paffte ein paar Züge. Die Zigarette ging aus. Er warf sie weg und versuchte eine neue anzuzünden, die aber ebenfalls ausging.
Beim erneuten Versuch, sie in Brand zu stecken, fiel ihm die Streichholzschachtel aus der Hand, und er bückte sich, um sie aufzuheben. Das war ein fataler Fehler.
Lisa sprang auf und warf sich mit ihrem ganzen Gewicht auf Delgado, der sofort umfiel und zu Boden ging. Lisa schlang ihm die Kette zwischen ihren Handschellen um den Hals und zog sie so fest zu, wie sie konnte. Die Kette schnitt sich tief in Delgados Hals und drückte ihm die Luftröhre ab.
Delgado strampelte wie ein Wilder, aber Lisa ließ nicht locker. Verzweifelt tastete er mit der Hand hinauf zum Tisch, wo er sein Messer hingelegt hatte, erreichte es aber nicht. Lisa zog die Kette erbarmungslos immer weiter zu, bis Delgados Augen aus ihren Höhlen hervorquollen.
»Du Dreckskerl«, schrie sie. »Du mieser, widerlicher Dreckskerl!«
Delgados Arm fiel auf einmal kraftlos nach unten, und auch sein Würgen wurde immer leiser. Trotzdem zog Lisa mit zusammengebissenen Zähnen die Kette um seinen Hals noch fester zu. Delgado öffnete den Mund, um zu schreien, brachte aber keinen Ton mehr hervor. Er röchelte und spuckte und versuchte mit einer letzten Kraftanstrengung, Lisa von sich abzuschütteln, aber es war nur noch ein mattes Aufbäumen.
Dann schloss er die Augen und lag still und bewegungslos da, während Lisa die Kette, unter der aus dem zerschundenen Hals jetzt an mehreren Stellen Blut sickerte, noch immer nicht locker ließ. Erst nachdem er sich mehrere Minuten lang nicht mehr gerührt hatte, stand sie, vor Anstrengung laut keuchend, auf. Sie sehnte sich nach einer Dusche und frischen Sachen zum Anziehen.
30
»Lisa ist verschwunden. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen. Wir müssen sie suchen.«
Tweed hatte Nield noch nie so besorgt erlebt. Er machte einen richtiggehend verstörten Eindruck auf ihn.
»Beruhigen Sie sich«, sagte Tweed, während Paula und Newman zu ihnen stießen. Marier und Butler kamen einen Augenblick später. »Wo haben Sie Lisa zuletzt gesehen, Pete?«
»Mir ist die Walther aus der Tasche gefallen, und bis ich sie wieder aufgehoben hatte, war sie verschwunden. Dabei war sie nur ein paar Meter vor mir.«
»Harry und Marier, Sie kommen mit mir«, sagte Tweed.
»Alle anderen suchen die Fußgängerzone ab. Vielleicht ist sie ja bloß in ein Geschäft gegangen.«
»Nein, das hätte sie bestimmt nicht gemacht, ohne mir Bescheid zu sagen«, sagte Nield.
»Möglich ist alles«, sagte Tweed. »Aber reden wir nicht lange, fangen wir dort mit unserer Suche an, wo Sie sie zum letzten Mal gesehen haben.«
Tweed ging langsam voraus, und Marier und Butler folgten ihm in kurzem Abstand. Tweed hatte auf einmal das ungute Gefühl, dass sich Delgado, Barton und Panko in diesem Teil der Innenstadt aufhalten könnten. Vor einem Durchgang blieb er stehen und blickte auf den kleinen Platz dahinter.
»Hübsche Häuser gibt es da«, sagte er.
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