Das Inselcamp
dir wirklich was fehlt.«
Johanna rückte dichter an Britt heran. Vor Schreck versiegten die Tränen. »Ich – will – meine Haare – zurück«, sagte sie abgehackt. Gleich darauf war sie plötzlich eingeschlafen.
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Jeder Tag hat seine eigene Plage
Die Sonne weckte die zwölf, bevor sie von selbst auf die Idee gekommen wären aufzuwachen. Sie blieben liegen und kniffen die Augen zusammen und taten, als merkten sie nichts. Der neue Tag machte ihnen Sorge. Allzu ungewiss war noch, was da auf sie zukommen würde.
Lena musste unwillkürlich lächeln, als sie ihre Augen über den Kreis wandern ließ. Simone und Tamara zusammen zu sehen, die bisher kaum drei Worte gewechselt hatten! Andi und Jacques – wohl eine Notgemeinschaft, da Jacques allein gewesen war und Andi nicht an Judith herankam. Pitt bei Britt und Johanna – da rieb sich Lena ungläubig die Augen. Auf der anderen Seite: Drei vom Berg beieinander, das war kein Wunder.
Jakobsen ließ niemanden sehen, wie er schlief. Er war längst wach und hatte, ein wenig abseits, ein Feuer entzündet. Er hantierte mit einer großen verbeulten Pfanne und einem hellen, zähen Teig.
Lena blinzelte, als sie ihre schlafende Tochter betrachtete. Erinnerungen kamen auf, an einen Mann, den sie längst vergessen haben wollte. In den letzten Monaten waren sie wieder deutlicher geworden, Bilder aus einer anderen Zeit. Judiths ernste Züge, ihr verborgener Mut, ihr helles, allzu feines Haar bewiesen, dass es jene Zeit gegeben hatte. Ebenso wie auch die Bergpredigt.
Lena erhob sich und trat zu Jakobsen. »Was wird geschehen?«, fragte sie streng. Er sah zu ihr auf und lächelte. »Das mit der Bergpredigt gestern«, sagte er, »das hast du wunderbar erklärt, Lena. Ich wünschte, mir wäre so etwas eingefallen.« Sie vergaß ihre erste Frage. Sie hockte sich neben ihn. »Hast du wirklich eine geistliche Krise, Jakobsen?«, fragte sie neu.
Sein Gesicht verzog sich. Es konnte Überdruss sein oder Ungeduld. Oder einfach nur Ratlosigkeit. Er wies mit großer Geste über den Platz. »Sieht das hier nach einer geistlichen Krise aus?«, fragte er. Sie folgte seiner Armbewegung und da endlich sah sie, was ihr längst hätte auffallen müssen. »Matti ist weg!«, rief sie.
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Sorget nicht!
»Genug geschlafen!«, rief Diakon Jott in die Ohren all derer, die es nicht hören wollten. »Frühstück ist fertig.« »Und Matti ist weg!«, ergänzte Lena in Panik. Das brachte Tom auf die Beine. »Der spinnt doch total«, murmelte er und rieb sich das Gesicht.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er zu Lena. »Ich kümmere mich darum!« Im nächsten Augenblick war er schon losgesprintet und die anderen beiden vom Berg rannten ihm nach. Ganz nebenbei entdeckte Lena, dass Jakob ziemlich dick und langsam war.
Die Mädchen reagierten eher auf das Versprechen eines Frühstücks. Inzwischen lag auch ein appetitlicher Duft über dem Lager. »Pfannkuchen«, flüsterte Johanna und räkelte sich. »Sonntagsbrötchen«, korrigierte Britt, noch halb in schönen Träumen.
Sie stieß beim Sich-Recken an einen Jungenrücken und jäh war es mit dem Träumen vorbei. Sie fuhr auf und schüttelte ihrHaar zurück. »Bild dir nichts ein!«, zischte sie in das grinsende Jungengesicht, das ihr zublinzelte. Ungeduldig rief sie Simone, Judith und Tamara an ihre Seite und verschwand durch das Loch im Zaun.
Pünktlich zum Frühstück kamen Tom, Philip und Jakob mit dem vierten Jungen zurück. »Matti war bloß Joggen«, erklärte Tom beiläufig. Der Diakon hatte kleine Fladen gebacken, die weder wie Pfannkuchen noch wie Brötchen schmeckten, aber irgendwie gut. Dazu gab es den gleichen Tee, den vier der zwölf schon aus Schafhaus kannten.
Die Mädchen blieben während des Frühstücks auffällig still. Sie hatten im Licht des neuen Morgens und in den Spiegeln des Waschraums erst richtig gesehen, was sie mit Pitts Messer an ihren Haaren angerichtet hatten. Sie ließen die Köpfe sinken und rechneten nach, wie lange nachwachsen musste, was in Minuten abgeschnitten worden war.
»Wir werden in dieser Woche wenig Gelegenheit zum Baden oder zum Joggen haben«, sagte Jott beiläufig. Pitt verschluckte sich. Matti fiel sein Fladen in den Sand. »Sie können uns nicht festbinden!«, rief Tom mit einem Hauch Unsicherheit in der Stimme. Lena schaute aufmerksam von einem zum anderen.
»Oh, die Fesseln werden unsichtbar sein«, erklärte Jott. Er sagte, dass die Zelte
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