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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Steinkuehler
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keinen Hunger auf seine eigene Suppe.
    »Das wird auch Zeit«, sagte Tom. Jakob biss sich auf die Lippen. Tom sah ihn an, aber Jakob sah weg. »Die Löffel haben Sie wohl selbst gemacht?«, fragte Simone. Sie wog das grobe Werkzeug skeptisch in den Händen. »Ist nicht so gelungen.« Philip und Matti probierten bereits. Sie schafften es nicht, den Löffel zum Mund zu führen. »Alles Absicht«, kommentierte Pitt düster. »Der will, dass wir am gedeckten Tisch verhungern.«
    Andi, sein Bruder, warf ihm einen Blick zu. »Davor kann ich dich bewahren«, meinte er. Er tauchte seinen Löffel in die Suppe und führte ihn Pitt an den Mund. »Iss«, sagte er. »Aber verbrenn dir nicht den Mund.« Die anderen lachten.
    Der einfache Trick funktionierte auch bei Philip und Matti, bei Johanna und Simone, Judith und ihrer Mutter. Pitt kniff die Augen zusammen und fixierte Jotts halb abgewandte Gestalt. »Das schmeckt mir nicht«, sagte er. »Es macht satt«, meinte Tamara und öffnete den Mund, damit Pitt sie füttern konnte.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Zu spät
    Britt kam zu spät. Nach dem Abendessen, das aus Teigtaschen mit Rohkost bestand, setzten sich die elf erwartungsvoll um das Feuer, das Jott entfacht hatte, und warteten auf das erste Abendprogramm. Britt war den ganzen Nachmittag über verschwunden gewesen. Jott hatte nichts dazu gesagt. Tamara hatte Britts Gewand genommen und daran weitergenäht.
    Es war wohl Philip, der mit dem Singen anfing. Das Lagerfeuer erinnerte ihn an ein längst vergessenes Zeltlager. »Gott hält die ganze Welt …« Irgendwie war die Stimmung so, dass sie alle einstimmten. »Kumbaya, my Lord.« Dass Jott plötzlich eine Gitarre hatte und die Akkorde spielte, tat ein Übriges. »When Israel was in Egypt’s land«, konnten sie und dann sogar: »Laudato si.«
    Als Britt endlich kam, war das Feuer fast heruntergebrannt, und trotz der nördlich hellen Nacht war es beinahe finster. »Das sieht euch ähnlich«, sagte sie schrill. Sie war verändert, selbst im Dunklen fiel es auf. Ihr Haar war struppig, Hemd und Hose zerfetzt, das Gesicht kalkweiß. »Britt!« Johanna flüsterte vor Schreck. »Du siehst aus wie der Tod.«
    Britt trat neben das Feuer. »Wie der Tod«, sagte sie mit Grabesstimme. »Gewiss: Das stünde euch allen besser!« Sie hob einen langen Zweig auf und stieß ihn mit der Spitze in die letzten Flammen. Dann beschrieb sie einen feurigen Kreis. »Elf seid ihr«, sagte sie düster. »Und wie ihr da sitzt: alle elf Verräter.«
    Die Gitarre des Diakons war längst verstummt. Da er nicht zu den zwölf gehörte, rutschte er in den Hintergrund. Lena erhob sich. Sie war auf dem Sprung. Ob zu Britt, ob fort, das blieb noch unentschieden.
    Tom und die Jungen vom Berg holten tief Luft, um zu protestieren. Aber Pitt kam ihnen zuvor. »Frau«, sagte er, ebenfalls mit fremder Stimme. »Wer bist du, dass du es wagst, uns Vorwürfe zu machen?« Britt stellte sich vor ihm auf. »Du hast mich schon gesehen, Petrus «, sagte sie. »Ich war es, die den Herrn salbte.«
    »Petrus?«, murmelte Johanna. »Den Herrn?« Philip stieß sie an. »Großes Theater«, flüsterte er.
    »Du bist die, die die Salbe verschwendet hat«, rief plötzlich Jacques mit kräftigerer Stimme als sonst. Britt warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Rede du nicht von Verschwendung, du sogenannter Freund des Herrn!«
    Nach und nach fanden sich auch die Mädchen in das Spiel. Jünger sollten sie sein, Jesu Jünger, nach der Kreuzigung. Britt fragte sie, warum sie den Herrn nicht befreit hätten, warum sie ihn nicht aus dem Gefängnis geholt, freigekauft, losgebeten hätten. Warum sie am Kreuz gestanden und nichts, nichts, nichts getan hätten.
    Sie fing zu weinen an, als sie das sagte. »Wie gut sie spielen kann!«, flüsterte Johanna Philip zu. »Spielt sie?«, fragte Judith leise.
    Jacques machte sich zum Sprecher der elf. »Als hätten wir das ahnen können!« Er stand auf und breitete die Arme aus. »Ich sag: Er hat uns reingelegt.«
    Die anderen murmelten. »Uns reingelegt? Wer? Der Herr?« Jacques fuchtelte erregt mit den Armen. »Ja, reingelegt. Wir glaubten alle, dass er der Herr ist. Wir glaubten, er sei allmächtig. Wir warten jetzt noch auf ein Wunder. Und er?« Er ließ die Arme fallen. »Krepiert wie ein Hund. Damit konnte keiner rechnen!«
    Britt stand vor ihm mit blitzenden Augen. »Aber er war … euer Freund«, sagte sie leise. Lena entschied sich. Sie ging zu Britt, legte ihr den Arm um die Schultern und

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