Das Intercom-Komplott
etwas ganz anderes, das keinen realen Wert hat – seltene Briefmarken mit Stempeln und Aufdrucken.«
Brand zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ohne Wert, meinen Sie?«
»Ohne realen Wert. Seltene Briefmarken – die wirklich wertvollen – wurden in der Regel vor langer Zeit von einem Postbeamten entwertet. Für den Postversand sind sie damit ungültig. Ihr Wert für die Sammler in aller Welt und für diejenigen, die ihr Vermögen in sie investieren, liegt in ihrer Seltenheit. Sie wissen ja selbst, welch hohe Summen in seltenen Briefmarken angelegt werden.«
»Ja.« Brand zuckte die Achseln. »Ich begreife zwar, daß sich ein mexikanischer Fälscher ein amüsantes und ertragreiches Geschäft daraus machen kann, aber ich verstehe nicht …«
Jost unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Einen Augenblick bitte. Sie wissen noch gar nicht, wie einträglich für ihn das Geschäft war – oder wie amüsant.« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein. »Das amerikanische Schatzministerium jedenfalls hat seine Werkstatt vor einiger Zeit aufgekauft.«
Brand sah ihn verblüfft an. »Das kann ich kaum glauben.«
Jost lächelte. »Ich war auch überrascht. Bis ich erfuhr, was geschehen war. Der internationale Briefmarkenhandel war schon seit Jahren durch die Tätigkeit dieses Fälschers beunruhigt. Sie müssen wissen, daß die wertvollsten Marken oft erst dann wirklich teuer sind, wenn durch Aufdrucke oder Sonderstempelungen ihr ursprünglicher Frankierwert erhöht oder verändert wird. Aufdrucke und Sonderstempel aber sind viel einfacher zu fälschen als Banknoten. Und wenn ein wirklich geschickter Mann an der Arbeit war, sind sie kaum als Fälschungen zu erkennen. Für die großen Händler bedeutete dies nicht allein, daß große Mengen dieser Falsifikate zu einer Inflation ihrer ›Währung‹ führten, sondern daß sie auch gewaltige Summen ausgeben mußten, um sie zu erkennen und aufzuspüren. Aber genau dazu waren sie gezwungen, wollten sie den Wert ihrer und ihrer Klienten Vermögen sichern. Natürlich haben sie – vor allem die amerikanischen Händler – schon seit langem überlegt, wie gegen den Mexikaner vorzugehen sei. Aber was konnten sie tun? Als man erfuhr, daß er sich aufs Altenteil setzen wollte, mittlerweile ist er immerhin sechsundsiebzig, kam ihnen ein schrecklicher Gedanke. Mußte man nicht annehmen, daß er seine Druckplatten und seine Ausrüstung einem Jüngeren oder einer ganzen Gruppe verkaufte? Was dann? Darüber nachzugrübeln war sinnlos. So entschloß man sich, allen Stolz fahrenzulassen und ihn selbst aufzukaufen.«
»Und was hat das Schatzministerium damit zu tun?«
»Solche Fälschungsgeschichten fallen in den Vereinigten Staaten nun einmal in den Zuständigkeitsbereich des Schatzministeriums. Die Händler brauchten die Genehmigung des Ministeriums, bevor sie das Material des Mexikaners in die Staaten einführen konnten. Außerdem mußte man sich mit dem amerikanischen Zoll arrangieren.«
»Und die Genehmigung wurde erteilt?«
»Aber natürlich. Ein Konsortium fuhr zu geheimen Verhandlungen mit dem alten Mann nach Mexiko, und es gelang nicht nur, all seine Druckplatten, Stempel, Geräte und Geschäftsbücher aufzukaufen, sondern man brachte ihn sogar dazu, eine Vereinbarung zu unterschreiben, in der er verbindlich zusagte, nie wieder seine alte Tätigkeit aufzunehmen. Wenn das auch sehr viel Geld kostete, war es doch zu ihrem Schutz nötig. Ich unterhielt mich zu Hause mit einem Briefmarkenhändler über diesen Fall. Er sagte mir, so etwas käme hin und wieder vor. Etwas Ähnliches geschah 1935; damals kaufte die British Philatelic Association einen französischen Fälscher namens Sperati auf. Finden Sie das nicht aufregend?«
Jost trank sein Glas leer. Gedankenverloren füllte Brand nach.
»Hier geht es also um rein fiktive Werte«, sagte er.
»Genau.«
Sie sprachen nicht mehr darüber, bis sie in ihr Hotel zurückkehrten, aber beide dachten über ihre Unterhaltung nach. Und den Rest des Abends überlegten sie gemeinsam, welche Lehren aus der Geschichte des mexikanischen Fälschers gezogen werden könnten – von denen, die über ganz besondere Kenntnisse und Möglichkeiten verfügten. Schließlich waren sie sich darüber einig, daß ihnen nur ein einziger verhältnismäßig sicherer Weg offenstand. Bevor sie in dieser Nacht auf ihre Zimmer gingen, vertrieben sie sich die Zeit damit, einen Schlachtplan auszuarbeiten.
Oberst Jost behauptet heute, er wisse nicht mehr, wann die
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