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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Flughafen ab und brachte ihn in sein Hotel.
    Ich kam mit dem General stets gut aus. Sie behaupten (oder lassen es einen Ihrer alten Idioten sagen), ich habe mit ihm Theater gespielt. Sie haben recht, so war es. Wer mit ihm zurechtkommen wollte, mußte eine Show abziehen. Wenn man sich mit ihm unterhielt, mußte man so tun, als ob man mit einem Kind spräche, das Räuber und Gendarm spielt. Hätte ich es nicht getan, hätte ich mich selbst um das Vergnügen gebracht, das der Umgang mit ihm bereitete. Aber unser Spiel hieß nicht Räuber und Gendarm, sondern es hatte einen etwas komplizierteren Namen – vielleicht ›Gute Spione, böse Spione und internationale Komplotte‹. Der Effekt freilich war derselbe. Er war an der Wirklichkeit einfach nicht interessiert. Oder nein – so war es auch nicht: Er glaubte, sein Spiel wäre die Wirklichkeit, und wer dies bezweifelte, war entweder ein guter Junge, der in einer Traumwelt lebte, oder es war ein böser Junge, der die guten Jungen in ein Gefühl falscher Sicherheit hineinlullen wollte. Er war ein Spinner, natürlich, ein Narr, aber auf seine Weise eben ein imponierender Spinner. Ich habe nur ein einziges Mal gehört, wie er einen Vortrag hielt; es war vor den Genfer Mitgliedern eines amerikanischen Klubs. Er war ein schrecklicher Dilettant; er fuchtelte mit Aktenstücken herum und führte massenhaft idiotische Fakten und Zahlen an, alles, was er sagte, war absoluter Quatsch; aber, bei Gott, seine Wirkung verfehlte er nicht. Denn er glaubte tatsächlich, was er sagte.
    Seine besondere Spezialität war es, Hexenjagden zu entfesseln. In seinen Augen konnte alles, einfach alles, was sich ereignete, Teil eines Komplotts oder einer Verschwörung sein. Die winzigste Kleinigkeit konnte ihn in Fahrt bringen. Dann häufte er unermüdlich Verdacht auf Verdacht, verfälschte die Tatsachen, wenn es überhaupt welche gab, und wenn er keine Fakten fand, erfand er sie eben, bis er dorthin kam, wohin er wollte: den Dingen auf die Spur, zum Kern der Wahrheit – oder was er dafür hielt. Danach mußte ich alles aufschreiben, und wir druckten es.
    Es ist also kein Wunder, daß man in Washington an den Rand des Wahnsinns getrieben wurde. Jeder Senator, jeder Kongreß-Abgeordnete – aber auch die Parlamentarier in Kanada und England – erhielt ein Intercom -Exemplar, ob er nun das Abonnement bezahlte oder nicht. Sie wären sicherlich erstaunt, wie viele solcher Hexenjagden wir begannen und weiterführten. Nun – Sie überrascht es vielleicht nicht. Sie kennen die Politiker ein wenig. In Washington regte man sich eines Tages über eine unserer Geschichten so auf – es ging um die Reichweite einer rotchinesischen Atomrakete –, daß der Präsident selbst dementieren mußte. Aber das machte dem General natürlich nichts aus. Er liebte Dementis geradezu. Seine einzige Reaktion war, daß er mir ein Telegramm schickte mit der Aufforderung, die Geschichte mit zusätzlichem Beweismaterial noch einmal zu bringen. Woher ich dieses Material nehmen sollte, verriet er mir natürlich nicht; das hätte auch gar nicht zu ihm gepaßt. Und ich verschwendete natürlich auch keine Zeit darauf, Fragen zu stellen, die ohnehin unnütz waren. Da die erste Meldung von Anfang bis Ende aus den Fingern gesogen war, mußte selbstverständlich auch alles, was folgte, erfunden werden. Natürlich habe ich ihm gegenüber das Wort ›erfunden‹ nie in den Mund genommen. Das hätte nichts anderes bedeutet als zu behaupten, die guten Jungen hätten sich auf üble Tricks eingelassen. Er glaubte, was zu glauben er wünschte, und er wußte, daß alle seine Einbildungen das Gewicht von Beweisen hatten.
    Selbst als er starb, dachte er sich noch unbeweisbare Geschichten aus. Als ich ihn an diesem letzten Tag vom Flughafen in sein Hotel fuhr, erzählte er mir von einer Zeitungsmeldung, die ihm im Flugzeug unter die Augen gekommen war. Darin ging es um einen Meteorologen-Verband, die World Meteorological Organization (WMO) , der vor kurzem einen Kongreß über eine Beeinflussung der Großwetterlage durch Veränderungen in der Atmosphäre veranstaltet hatte.
    »Was halten Sie davon, Ted?« fragte er mich mit unheilschwangerer Stimme.
    Ich versuchte, die Sache herunterzuspielen, denn ich kannte ihn nur zu gut, und ich hatte keine Lust, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen. »Hat das nicht etwas mit dem Melken von Wolken zu tun, General?« fragte ich. »Von einem Flugzeug aus wird Trockeneis oder eine andere Chemikalie in ein

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