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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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eines amerikanischen Brigadegenerals außer Dienst anfängt; aber diese Frage zu stellen, ließ er mir keine Zeit.
    »In der Zwischenzeit, Monsieur«, sagte er steif, »erhebt sich zunächst einmal die Frage nach der Todesursache.«
    »Steht das denn nicht fest? Sie selbst sagten doch, es wäre ein Herzanfall gewesen.«
    »Ein Infarkt. Jawohl, so lautete meine Diagnose.«
    »Nun, was gibt es da noch zu fragen?«
    »Der Verstorbene selbst stellte die Frage. Zweimal.«
    Er warf dem anderen Weißkittel einen Blick zu, und der nickte bestätigend. »Natürlich, er stand unter dem Einfluß von Beruhigungsmitteln, aber solange er bei Bewußtsein war, konnte er klar denken. Zweimal äußerte er den Verdacht, daß man ihn vergiftet habe.«
    Das war der Augenblick, in dem ich die Magenverstimmung hätte erwähnen müssen, über die sich der General am Abend beklagt hatte; aber da die Möglichkeit bestand, daß der General behauptet hatte, man habe ihm Gift in das Essen oder in ein Getränk getan, schwieg ich lieber.
    Ich sagte es nicht, und zwar aus den verschiedensten Gründen: a) weil ich wütend war, b) weil ich den Arzt nicht leiden konnte, c) weil ich ganz schön einen getankt hatte und d) weil ich selbst neugierig war. Ich wollte ganz einfach wissen, wen der General auf dem Sterbebett als den bösen Jungen bezeichnet hatte. Ich setzte auf die World Meteorological Organization.
    Darum fragte ich: »Hat er einen bestimmten Verdacht geäußert?«
    Er sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Sie sind also gar nicht verwundert?«
    »Warum sollte ich verwundert sein?« fragte ich. »Bevor wir hierher kamen, behauptete er das schon zweimal; das erstemal, als ihm schlecht wurde, und später dann im Krankenwagen.«
    Das wirkte. Er sprang auf, als hätte ich ihm in den Hintern gepiekst. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt, als der Patient eingeliefert wurde?«
    »Weil er offensichtlich nicht wußte, was er überhaupt redete. Der Hotelarzt hatte eine Herzattacke festgestellt. Warum hätte ich daran zweifeln sollen? Was soll überhaupt dieser Unsinn?«
    Das mochte er gar nicht. »Dieser Unsinn, wie Sie es nennen, Monsieur, ist eine ernste Angelegenheit. Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß wir die Todesursache durch eine Autopsie feststellen müssen.«
    »Dann tun Sie Ihre Pflicht.« Irgendwelche sentimentale Bedenken bewegten mich sonst nie, aber der Gedanke, daß man den General ausschlachten mußte, um ein idiotisches Mißverständnis aus der Welt zu schaffen, war doch zuviel. Ich gebe zu, daß ich nicht sehr höflich war.
    Der Arzt tat beleidigt. »Wenn bei plötzlich eingetretenem Tod irgendwelche Zweifel bestehen«, sagte er, »bleibt uns keine andere Wahl. Eine Autopsie ist zwingende Vorschrift, und wir müssen darüber hinaus die Polizei informieren.«
    »Selbst wenn sich Ihr Zweifel als unbegründet erweist?«
    »Wer kann jetzt schon sagen, ob er unbegründet ist oder nicht?«
    Nun mischte sich auch der Mann im Straßenanzug in unser Gespräch. Er war um die Vierzig, hager, hatte ein schmales Gesicht und wasserblaue Augen.
    »Monsieur Vauban von der Kriminalpolizei«, stellte ihn mir der Arzt vor.
    Wäre ich jetzt gewitzt genug gewesen, den Mund zu halten und den Dingen ihren Lauf zu lassen, wäre ich – selbst in diesem fortgeschrittenen Stadium – sicherlich mit dem Ruf eines einigermaßen brauchbaren Typs aus der Angelegenheit herausgekommen; etwas tölpelhaft und taktlos vielleicht, aber im Grunde genommen doch vernünftig und normal. Aber ich war viel zu sehr aufgebracht, als daß ich hätte schweigen können. Ich verspürte das heftige Verlangen, diesen Dickköpfen zu erklären, worin der Tick des Generals bestand.
    »Sehen Sie«, begann ich darum, »ich weiß, daß es schwierig ist, Ihresgleichen irgend etwas verständlich zu machen, was außerhalb des eigenen Erfahrungsbereichs liegt. Trotzdem will ich versuchen, Ihnen alles zu erklären. Nil nisi bonum und so weiter, aber der General war, um es vorsichtig auszudrücken, ein wenig exzentrisch. Er war Anhänger der konspirativen Geschichtstheorie, wenn Sie verstehen, was das ist – und er bezog sie auf die gesamte Geschichte, auch auf sein eigenes Leben. Wenn man es in der Sprache der Medizin, der Psychiatrie, ausdrücken will, könnte man sagen, daß er ein Paranoiker war. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Wenn es zu einer Grippe-Epidemie kommt – verdächtigen Sie dann die Russen der bakteriologischen Kriegführung? Nein? Nun, er tat es.

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