Das Intercom-Komplott
es vor, zu Fuß zum Hotel zu gehen, mit meinem Wagen zurück zum Krankenhaus zu fahren und in einer Bar in der Nähe zu warten.
Ich gebe zu, daß ich dort ein paar Schnäpse trank. Weil ich es nötig hatte.
In meinem Beruf lernt man nicht nur zu hören, was ein anderer sagt, sondern auch, wie er es sagt; Text und Melodie gewissermaßen. Ärzte können sich nicht immer so gut tarnen, wie sie es vielleicht gern glauben. Und ich vermutete, daß die Chancen des Generals, den nächsten Morgen zu erleben, schlecht standen. Und das bedeutete, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft arbeitslos sein würde.
›Oberst Brand‹, wie Sie ihn nennen, hatte recht, wenn er annahm, daß Intercom keinen Gewinn abwarf. Das ist bei kaum einem Informationsblatt der Fall, das gleichzeitig ein ›privater Nachrichtendienst‹ ist – jedenfalls nicht direkt. Die meisten von ihnen haben ganz und gar nicht den Zweck, erschöpfende Inside-Information zu geben, sondern sie bestehen aus den verschiedensten Gründen: andere miteinander zu verfeinden, andere zu beeinflussen, politische Widersacher zu erpressen – man versuche einmal, eine solche Zeitung vor Gericht zu bringen –, die Börsenkurse zu manipulieren, Falschmeldungen aus einer dieser Papierfabriken zu verbreiten; rationale Gründe wie irrationale, verbrecherische wie einfach idiotische. Aber trotzdem: Wenn die Leute, die das Blatt stützen, Erfolg haben, gedeiht es auch.
Intercom freilich hatte sein Bestehen der Tatsache zu verdanken, daß der General jene Leute piesacken wollte, die an seiner Pensionierung schuld waren; außerdem rechnete er damit, daß sein Ruf als Vortragsreisender gewänne, wenn er sich selbst als Kreuzfahrer der Freien Welt darstellte. Ich war damals einigermaßen überzeugt davon, daß Intercom das Ende des Generals nicht lange überleben würde. Daß die Stiftung das Blatt übernehmen könnte, glaubte ich nicht. Der General hatte immer dafür gesorgt, daß sie sich in Genf nicht einmischte. Bei der Stiftung wußte man nicht einmal, daß ich für ihn den Ghostwriter spielte; dort glaubte man, er selbst schreibe die Artikel, und er ließ sie bei ihrer Meinung. Und ich nehme sogar an, daß sie – hätte ich sie über die Verhältnisse unterrichtet – nicht daran interessiert gewesen wären, weiterhin mit mir zusammenzuarbeiten. Einer dieser alten Ölbarone war auf seiner Europatour auch in Genf abgestiegen, und ich hatte ihm bei dieser Gelegenheit gesagt (ich gebe zu, es war leichtsinnig), der Name ›Interform‹ ließe mich zuallererst an ein Damenkorsett denken. Er hatte es natürlich in den falschen Hals bekommen, und bald wußten es auch die anderen Ölscheichs. Seit damals war man bei der Stiftung nicht gut auf mich zu sprechen.
Da saß ich also in der Bar in der Nähe der Klinik, dachte an meine Ungewisse Zukunft und trank Schnaps.
Kurz vor Mitternacht ging ich ins Krankenhaus zurück. Für den Fall, daß ich dort warten mußte, nahm ich mir ein paar Portionsfläschchen mit.
Gegen zwei Uhr morgens kam eine Schwester zu mir in den Warteraum und bat mich, sie in ein Bürozimmer zu begleiten. Dort sagte mir der Arzt, mit dem ich mich schon am Abend unterhalten hatte, der General sei gestorben.
Im Büro war noch ein anderer, jüngerer Weißkittel, außerdem ein Mann im Straßenanzug, den ich für einen Verwaltungsbeamten hielt. Alle drei wirkten sehr dienstlich und steif. Warum das so war, überlegte ich natürlich nicht. Wenn jemandem in einem Krankenhausbüro mitgeteilt wird, daß ein Bekannter gestorben ist, sind schließlich keine fröhlichen Gesichter zu erwarten oder Leute, die einem auf die Schulter klopfen. Es ist klar, daß ich mich ziemlich übel fühlte; trotzdem bemühte ich mich, so nüchtern zu sein, wie es nur möglich war.
»Ich werde sofort seine Tochter telegrafisch unterrichten«, sagte ich. »Sie muß die Vorbereitungen für die Beisetzung treffen. Außerdem werde ich seinen Anwalt von seinem Tod verständigen. Und weil der General Bürger der Vereinigten Staaten war, muß wahrscheinlich auch das zuständige Konsulat informiert werden. Ich glaube, das nächste ist in Bern. Ich weiß nicht, ob ich es machen soll oder ob Sie es übernehmen. Selbstverständlich bin ich dazu bereit, und in der Zwischenzeit …«
In diesem Augenblick ging mir der Sprit aus. Denn eigentlich hatte ich von ihm wissen wollen, ob alles noch so lange Zeit hätte, bis ich jemanden finden konnte, der wußte, was man in Genf mit der Leiche
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