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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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dann verhalten?«
    Nun sah er mich sehr ernst an. Er wollte es tatsächlich wissen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, er wollte mich damit einer Prüfung unterziehen. Ich mußte also genau überlegen, ehe ich antwortete. Intercom stand in dem Ruf, den Pazifismus ebenso abzulehnen wie den Kommunismus, und ich hatte gar kein Interesse daran, daß dieser Mann zu Blochs Waffenhändlern ging und ihnen berichtete, auf mich sei kein Verlaß. Andererseits war ich aber auch nicht bereit, ihm das zu sagen, was er wahrscheinlich hören wollte: Mich als männlichen Draufgänger zu beschreiben wäre bombastischer Unsinn gewesen. Ich kannte meine Grenzen. Als Draufgänger wirke ich nicht sehr überzeugend. Ich versuchte deshalb, einer vernünftigen Antwort aus dem Wege zu gehen.
    »Das hängt davon ab, wer Gewalt anwendet oder mich bedroht, Mr. Siepen. Ist er kleiner als ich, werde ich versuchen, ihn selbst hinauszuwerfen. Ist er größer, rufe ich die Concierge zu Hilfe.«
    Er fand das nun freilich gar nicht so lustig. »Glauben Sie nicht, daß mit Gewalt oder Gewaltandrohungen der am besten zu Rande kommt, dessen Aufgabe es ist?«
    »Sie meinen die Polizei? Aber gewiß.«
    Dagegen konnten seine Freunde nichts einwenden, dachte ich; aber er war noch nicht fertig.
    »Sie meinen also, wer bedroht oder unter Druck gesetzt wird, sollte Hilfe rufen?«
    »Wenn er Hilfe braucht, muß er das natürlich tun.«
    »Und wenn er in einer Lage ist, in der er das nicht kann? Was tut er, wenn niemand erreichbar ist, der Hilfe bringen könnte? Was dann?«
    Dieses Hin und Her wurde mir allmählich lästig. »Mr. Siepen«, antwortete ich deshalb, »graue Theorie war noch nie meine Stärke. Wollen Sie mir nicht verraten, was in einer solchen Lage zu tun ist?«
    Jetzt wirkte sein Lächeln ehrlich, und ich konnte sehen, daß er auf dem linken Oberkiefer eine Brücke trug. »Mr. Carter«, sagte er, »wer vernünftig ist, fügt sich der Gewalt, so gut er kann, und tut, was man ihm sagt. Und Sie als vernünftiger Mensch müßten mir doch eigentlich zustimmen.«
    Wie sollte ich darauf antworten? Ihn in ein Gespräch über Galilei verwickeln oder ihm Goethes ›Faust‹ in die Hand drücken? Glücklicherweise blieb mir das erspart, denn in diesem Augenblick betrat Nicole das Zimmer, um Quittung und Wechselgeld zu bringen. Siepen erhob sich sofort und ging. Er hatte wohl nicht wissen wollen, ob ich seine Ansicht teilte oder nicht.
    Lieber Mr. L. soll ich Ihnen sagen, was ich damals dachte? Ich hatte das Gefühl, daß man mich aushorchen und weich machen wollte. Und dieses Gefühl trog nicht. Aber ich irrte mich, wenn ich annahm, daß die Gewalt, der der Vernünftige sich fügen soll, so gut es geht, von Herrn Siepen ausgehen würde. Ein verständlicher Irrtum, denke ich.
    Und nun, mein lieber Mr. L.: Ich nehme an, daß ich Oberst Jost kennenlernte, noch ehe Sie seine Bekanntschaft machten.
    Ich bin überzeugt davon, daß dieser ›Herr Siepen‹ kein anderer war als Ihr Oberst Jost und daß dieser Kerl nur deshalb bei mir auftauchte, um mir klarzumachen, daß ich in diesem Spiel nicht gewinnen könnte, und – zu seinem eigenen Nutzen – mich in der Überzeugung zu verlassen, es sei besser, es gar nicht erst zu versuchen.
     
    Meine Beschreibung des ›Herrn Siepen‹ stimmt mit Ihrer des Oberst Jost überein.
    Haben Sie also besten Dank dafür, daß Sie mir so geholfen haben. Ebenso willkommen ist Ihr Schulterklopfen, wenn ich auch der Ansicht bin, daß Ihre Behauptung, der Besuch des tapferen Obersten bei mir wäre eine Geste der Sorge um mein Wohlbefinden, nur schwer zu verdauen ist. So, wie ich die Dinge sehe, war diese Geste nichts anderes als der Schlag des Bauern auf den Rücken seiner Schafe, die er auf einen Lastwagen verlädt, damit sie ins Schlachthaus gefahren werden. Das einzige, wofür der Oberst sich interessierte – vorausgesetzt, es stimmt, was Sie sagen –, war, daß sein Anteil an der Operation rasch und reibungslos über die Bühne lief. Der Versuch, mich zunächst einmal weich zu machen, war nichts anderes als ein Tropfen Öl ins Getriebe. Sie behaupteten, er wäre ein gewisses Risiko eingegangen, als er mich in meinem Büro aufsuchte. Welches Risiko nur, um Himmels willen? Selbst wenn man annimmt, irgendwelche Butzemänner hätten nachher mit seinem Bild bei mir auftauchen können – keiner tat es, aber nehmen wir es einmal an –, um mich zu fragen, ob ich sein Gesicht wiedererkenne, was hätte ich sagen können, das ihn

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