Das Intercom-Komplott
erwarten ließ – Geschäftswerbung, die in Massen per Post, Telegramm oder Telex hereinströmte –, war einigermaßen deprimierend. Denn wenn man auch angekündigt hatte, diese Texte würden in der Regel knapp und kurz sein, mochte ich doch nicht so recht daran glauben. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß Geschäftsleute, die etwas zu verkaufen haben, sich nie kurz fassen können. Wenn diese technischen Bulletins nicht von richtigen Werbetextern verfaßt wurden – was mir äußerst unwahrscheinlich erschien –, mußten sie einfach weitschweifig und dämlich werden. Und mit solchem Ballast würde Intercom bald ebenso aggressiv und lebhaft sein wie der Katalog eines Versandhauses.
Das Codewort SESAM gab mir aus einem anderen Grund zu denken. Nicht nur, daß es mir eher in ein Märchenspiel zu passen schien – Sesam, öffne dich, und der Zugang zur Schatzkammer ist frei –, es deutete auch darauf hin, daß Herr Bloch und seine Partner sich so ernst nahmen, daß sie befürchteten, ihre Konkurrenten könnten sich dadurch einmischen, daß sie eigene technische Bulletins einzuschmuggeln versuchten. Litten sie vielleicht ganz einfach unter Größenwahn? Immerhin konnte man auch vermuten, daß sie mit ihrer Intercom -Kampagne wirklich außergewöhnlichen Profit machen wollten. Und das wiederum bedeutete, daß ich im Falle eines Mißerfolgs – den ich für einigermaßen sicher hielt – allen Zuschüssen und meinem Job good bye sagen müßte.
Der Schlußabschnitt über meinen neuen Titel und die Finanzen machte mich nur lachen. »Sei ein lieber Junge – dann bekommst du noch ein Stück Torte.« Selbst für einen Public-Relations-Mann war das meiner Meinung nach ein wenig primitiv.
Wenn mir damals nicht besonders wohl war in meiner Haut, so hatten mich meine Gefühle nicht getäuscht. Ich hatte aber die Unannehmlichkeiten aus der falschen Richtung erwartet oder die Gewichte falsch gesetzt.
Den Erhalt des Memorandums bestätigte ich in einem kurzen Telegramm: »Erhalten und verstanden.«
Jetzt weiß ich, daß nur der erste Teil des Textes der Wirklichkeit entsprach.
Zwei Tage später erreichte mich in einem in Bonn aufgegebenen Brief das erste, auf Blochs Geschäftspapier geschriebene SESAM-Bulletin.
Es war alles andere als kurz. Und, wie ich es erwartet hatte, todlangweilig.
Wenn Sie wollen, können Sie es im Intercom- Archiv nachlesen. So etwa fing es jedenfalls an:
Soeben erreichten uns Informationen über den Zeitplan der Montage des neuen NATO FG 115 (Jäger/Aufklärer). Wir sind jetzt in der Lage, unsere Leser darüber zu unterrichten, daß die Testflüge der ersten Maschinen dieses Typs vor zwei Monaten, zwischen dem 8. und 14. September, durchgeführt wurden. Die Geschwindigkeiten, die im Verlauf dieser Testflüge erreicht wurden, sind zwar als ›NATO GEHEIM‹ klassifiziert, wie wir aber aus zuverlässiger Quelle erfahren, liegen sie um etwa 2,2 Mach.
Ein Ergebnis, das allgemein als äußerst enttäuschend betrachtet wird, da die Prototypen mit 2,5 Mach den Planungsvorstellungen genau entsprachen. Weitere Schwierigkeiten machten die extrem hohen Startgeschwindigkeiten bei vollbelasteter Maschine und die Unstabilität im Flugverhalten bei überschallschneller Geschwindigkeit. Erhebliche Verzögerungen bei der Auslieferung der FG 115 werden allgemein angenommen …
Wäre es dabei geblieben, hätte ich nicht viel dagegen sagen können, wenn es mir auch lieber gewesen wäre, die Sache neu zu schreiben. Aber dann folgte die Liste der an der Montage beteiligten Firmen. Nicht nur die Hersteller der Zelle und der Antriebsaggregate, sondern sämtliche Zulieferer und die Zulieferer der Zulieferer – Fahrwerk, Hydraulik, Navigationselektronik, Treibstoffsystem, Schleudersitz, Fallschirm-Bremssystem und so weiter –, und alle mit Namen, Sitz der Geschäftsleitung und Nennung der Fabrikationsanlagen. Das Bulletin füllte eine ganze Seite.
Ich hielt es für selbstverständlich, daß damit der eine oder andere der Konkurrenten in Mißkredit gebracht werden sollte. Der Artikel erschien in der Intercom -Ausgabe vom 15. November. Am selben Tag erreichte mich das zweite SESAM-Bulletin; zu spät zwar, um noch in diese Nummer aufgenommen zu werden, aber meine Anweisungen schrieben mir für solche Fälle ja vor, bis zur nächsten Woche zu warten.
Dieses zweite Bulletin war kaum verständlich; ich jedenfalls konnte nichts damit anfangen. Es ging darin um russischen Raketentreibstoff, und mindestens die
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