Das Intercom-Komplott
entsprechenden Unterlagen und Informationsquellen, von denen Herr Dr. Bruchner gesprochen hatte, waren nicht viel mehr als die gesammelten Dichtungen des Generals. Wir besaßen zwar ein paar Archivkisten, und sie waren angefüllt mit viel Papier – alte Zeitungsausschnitte, grob nach Sachgruppen geordnet –, aber es war letztlich doch allgemein zugänglicher Allerweltskram. Außerdem hatten wir eine Bibliothek, und ich trug in Notizbücher immer meine Ideen und Material für Intercom -Stories ein – zusammengelesen aus europäischen Zeitschriften und Zeitungen, die wir abonniert hatten. Über ein Archiv freilich, wie jede Zeitungsredaktion es führt, verfügten wir nicht. Dafür braucht man Raum und ausgebildetes Personal, und beides kostet Geld.
Was mir zu diesem Zeitpunkt am wenigsten behagt hätte, war, etwas zu finden, was gegen Bloch gesprochen hätte, und ich konnte mir vorstellen, daß es Dr. Bruchner nicht viel anders ging. Als Geschäftsführer der Intercom Publishing Enterprises AG verdiente er zwar keine Reichtümer, aber sicherlich wäre es ihm nicht lieb, auf diese Einkommensquelle verzichten zu müssen.
Trotzdem versuchte ich, etwas über Herrn Bloch zu erfahren.
In keinem der üblichen Nachschlagewerke war etwas über ihn zu finden. Ich sah also in die Liste der Intercom -Abonnenten. Ich tat es vor allem deshalb, weil die Möglichkeit bestand, daß hier eine andere Anschrift angegeben war als jene, die auf seinem Briefbogen stand.
Riesenüberraschung. Herr Bloch war kein Abonnent, war es noch nie gewesen.
Nun kann man dies natürlich nicht zu seinen Ungunsten auslegen. Eher wäre das Gegenteil der Fall. Und trotzdem kam es mir seltsam vor, selbst wenn ich in Rechnung stellte, daß er für unbekannte französische und deutsche Geschäftsfreunde agierte. Schließlich war er doch der Werbeberater, der die Geschäftsinteressen seiner Kunden vertrat, er war der umsichtige Mann, der wollte, daß Intercom wie bisher arbeitete. Wie kam es dann, daß er nie abonniert hatte? All diese Ungereimtheiten machten mich so neugierig, daß ich weitersuchte. Ich erinnerte mich der Archivarin in der Nachrichtenagentur, für die ich einmal gearbeitet hatte, und rief sie in Paris an. Wir waren immer gut miteinander zurechtgekommen, und sie tat mir gern einen Gefallen. Diesmal fiel es ihr überhaupt nicht schwer. Der Name Bloch erschien in ihrem Namensregister nur ein paarmal, und einen Arnold Bloch gab es gar nicht.
Also wieder nichts, was gegen ihn sprach.
Es gab noch eine andere Quelle, die ich anbohren konnte. In den meisten großen Städten gibt es Bildagenturen, die davon leben, daß sie Fotografien von Geschäftsleuten anfertigen und hoffen, daß der eine oder andere eines Tages in den Brennpunkt des Interesses rückt und die Zeitungen sich für sein Bild interessieren. Als Public-Relations-Berater größerer Industriefirmen müßte Herr Bloch hier wohl zu finden sein. Zweifellos wartete irgendwo eine Fotografie des Herrn Bloch darauf, veröffentlicht zu werden – für den Fall, daß dieser sich dadurch auszeichnete, bei einem Flugzeugabsturz umzukommen, einen Filmstar zu heiraten oder sich in einen Millionenbetrug verwickelt zu sehen. Ich zweifelte daran, daß die Fotografie, wenn ich sie erst einmal hätte, viel über ihn sagen würde. Selbst die guten Jungen haben oft eine Verbrechervisage.
Als ich schließlich Dr. Bruchner anrief, konnte ich ihm mitteilen, daß meines Erachtens die Weste des Herrn Arnold Bloch weiß sei. Er antwortete, er wolle noch am gleichen Abend sein Telegramm an den Testamentsvollstrecker abschicken.
Das war am 26. Oktober.
Und nun, mein lieber Mr. L. will ich ihnen etwas erzählen, das Sie überraschen muß.
Sie tun mit Ihren Quellen so ungeheuer geheimnisvoll, daß nur schwer zu sagen ist, wie sehr man die Details Ihrer Rekonstruktionen glauben darf. Aber wenn der letzte Abschnitt des Gesprächs der beiden alten Geier wirklich – jedenfalls im großen und ganzen – so stattgefunden hat, wie Sie es beschreiben, erwartet Sie jetzt ein kleiner Schock. Schnallen Sie sich an, Mr. L. – da ist etwas, was Sie noch nicht wissen.
Am 1. November, eine Woche, nachdem das Telegramm an den Testamentsvollstrecker abgegangen war, geschah im Intercom- Büro etwas Seltsames. Nicole war dort, sie kann es bestätigen. Wir hatten ungewöhnlichen Besuch.
Es war am Nachmittag. Als ich vom Mittagessen zurückkam, erwartete er mich. Daran ist natürlich nichts bemerkenswert. Es kamen zwar
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